Hintergrund: Ende September stießen Mitarbeiter der Grabungsfirma ReVe, Büro für Archäologie in Forchheim auf die Reste der alten Stadtbefestigung. Wie Nordbayern.de bereits mehrmals berichtete (hier zum aktuellsten Artikel: Historische Stadtmauer in Forchheim: Ausgraben oder wieder vergraben?) erwartete das Archäologenteam zunächst auf die Fundamentkonstruktion aus Eichenholz zu stoßen, um so den Baubeginn der Stadtmauer durch die Holzaltersbestimmung (Dendrochronologie) auf das Jahr genau datieren zu können. Leider wurde inzwischen festgestellt, dass es dieses Fundament nicht gibt. Dennoch eine interessante Grabung mit interessanten Erkenntnissen, die uns dazu gebracht hat, einen kleinen Einblick in das Thema Dendrochronologie bzw. Dendroarchäologie zu geben.

Für das Magazin haben wir dazu Dr. Bernhard Muigg befragt. Einen routinierten Dendroarchäologen, der IN TERRA VERITAS in diesen Fragestellungen beratend zur Seite steht. Im zweiten Teil des Interviews erklärt Dr. Muigg, unter welchen Bedingungen sich Holz über Jahrtausende erhalten kann und so noch heute eine exakte Datierung möglich ist.

ITV: Warum erhält sich Holz im Boden überhaupt?
Muigg: Holz ist ja grundsätzlich eigentlich sehr anfällig für organischen Abbau. Wenn man ein Holzscheit im Freien auf den Boden legt, wird es nach wenigen Jahren verrottet sein. Der Grund dafür sind Bakterien und Pilze bzw. deren Enzyme, die das Holz nach und nach abbauen. Viele Bakterien und Pilze brauchen aber Sauerstoff und eine gewisse Feuchtigkeit und Temperatur, um das Holz abbauen zu können. Wenn nun also Holz entweder sehr trocken, sehr kalt oder sehr nass und ohne Sauerstoffzufuhr gelagert wird, erhält es sich sehr lange.

ITV: Solche Bedingungen treten dann wo auf?
Muigg:
Die bekannten Funde aus Kurganen, also Grabhügeln im russischen Permafrostboden, sind immer ein gutes Beispiel für die Erhaltung durch Kälte. Aber auch im Hochgebirge gibt es solche Bedingungen. Man denke nur an die Funde um „Ötzi", den berühmten Eismann vom Hauslabjoch. Kürzlich wurden auch zwei intakte Speere der Wikingerzeit in Norwegen gefunden. Mit dem Auftauen der Permafrostböden und dem Rückzug der Gletscher aufgrund des Klimawandels werden solche Funde in den kommenden Jahren wahrscheinlich häufiger. Diese Archive sind dadurch aber auch massiv bedroht. Wir wissen gar nicht welche Schätze uns hier für immer verloren gehen. Eine Erhaltung durch Trockenheit findet sich vorwiegend in ariden Gebieten, so zum Beispiel im syrischen Dura Europos.

ITV: Permafrostböden oder Wüstenklima sind ja nun keine Phänomene in Mitteleuropa. Welche Fundbedingungen haben wir denn bei uns?
Muigg:
Am häufigsten ist bei uns die Erhaltung durch ein wassergesättigtes Milieu. Gute Chancen bieten archäologische Befunde, die unter den Grundwasserspiegel reichen (z.B. Brunnen) oder Strukturen an oder in Wasserläufen (z.B. Brücken). Ein regionales Beispiel ist das Alte Rathaus in Bamberg. Das Gebäude steht auf einem Pfahlrost aus Eichenstämmen. Diese sind unter Wasser und es kann kein Sauerstoff zum Holz vordringen, wodurch sie sehr lange erhalten bleiben.

ITV: Bei solch schwierigen Bedingungen ist die Erhaltung von archäologischen Hölzern wohl eher die Ausnahme bei uns?
Muigg:
Nun ja, natürlich sind Holzfunde seltener als zum Beispiel Funde von anorganischen Materialien wie Keramik oder Steinfragmenten. Am häufigsten sind wohl an Metall ankorrodierte (festgerostete) Holzstücke, zum Beispiel an den Tüllen von Lanzen, den Schaftlöchern von Äxten oder auch einfach nur an Beschlägen von Kisten und Türen. Hier kann zwar keine Datierung erfolgen, mit etwas Glück aber zumindest die Holzart bestimmt werden. Bei vielen Schachtbefunden wie Brunnen und Latrinen gibt es ab einer gewissen Tiefe noch Holzerhaltung, das Gleiche gilt für Zisternen, Mühlenanlagen und generell alles was mit Wasserbau zu tun hat. Hier erhalten sich die Hölzer sehr gut und werden oft archäologisch freigelegt. Denken Sie nur an die dutzenden Eichenhalblinge, die seit 1200 Jahren im Karlgraben verbaut waren und heute noch relativ frisch bearbeitet aussehen.

ITV: Das heißt, die Arbeit geht Ihnen erst mal nicht aus?
Muigg:
Je mehr gebaut wird und je mehr archäologische Substanz dabei untersucht und entnommen werden muss, umso mehr Hölzer werden geborgen. Dazu kommen noch die zahlreichen Häuser, die inzwischen saniert werden und auch datiert werden wollen. Für mich und unser Team wird die Arbeit in den nächsten Jahrzehnten wohl eher mehr als weniger.

Zur Person:
Dr. rer. nat. BA Mag. Bernhard Muigg M.A.
Dendrologe bei der Kantonsarchäologie Thurgau, Schweiz
Mitarbeiter der Universität Freiburg im Breisgau
Studium an den Universitäten Innsbruck, Bamberg und Freiburg
Laufbahn über das Dendrolabor des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Thierhaupten, das Dendrolabor des Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg in Hemmenhofen und den Lehrstuhl für Forstwissenschaften der Universität Freiburg. Nebenbei als freiberuflicher Dendrologe in der Schweiz, Frankreich, Österreich, Italien und Deutschland tätig.


Bildquelle: Amt für Archäologie Thurgau, www.archaeologie.tg.ch