Archäologische Ausgrabung bestätigt: Hirschaid ist wesentlich älter

Im Rahmen der Errichtung mehrerer Wohnungen in der Bamberger Straße in Hirschaid (Landkreis Bamberg / Oberfranken) wurde 2016 eine archäologische Untersuchung durchgeführt. Die nun vorliegenden Ergebnisse sind für die Ortsgeschichte des Marktes Hirschaid von besonderer Bedeutung, erweitern in Teilen aber auch die Geschichte Nordostbayerns.

Vermutlich etwa 400 Jahre älter
Hirschaid wurde erstmals 1079 in einer Urkunde König Heinrichs IV. schriftlich erwähnt, was im Allgemeinen auch als Gründungsjahr angesehen und gefeiert wird. Doch dass die ursprünglich als „Hirzheide" bezeichnete Siedlung deutlich älter sein muss, lag auf der Hand und wurde nun auch archäologisch bestätigt. Neben Überresten von Häusern und Öfen aus dem 9. und 10. Jahrhundert, stieß das Team aus Archäologen der Bamberger Grabungsfirma IN TERRA VERITAS bei ihren Arbeiten auf noch ältere Funde und Befunde, die Rückschlüsse auf eine wesentlich frühere Besiedlung zulassen. Einige Gruben und Keramikscherben konnten aufgrund ihrer Form, Verarbeitung und Lage in der Erdschicht eindeutig dem 7. Jahrhundert zugeordnet werden. Zahlreiche Vergleichsfunde im süddeutschen Raum bestätigen dies. Einer der deutlichsten und interessantesten Befunde sind die Überreste eines Schmelzofens zur metallurgischen Bearbeitung. In diesem Zusammenhang wurde auch eine Glasperle entdeckt, wie sie regelmäßig in Gräbern des 6. und 7. Jahrhunderts zu finden sind. Zusammengenommen ist das der Nachweis, dass in Hirschaid bereits 400 Jahre vor der ersten urkundlichen Erwähnung gesiedelt wurde.

Kontinuierliche Besiedlung
In einigen früheren archäologischen Untersuchungen wurden noch ältere Siedlungsspuren auf dem Gebiet des Marktes Hirschaid entdeckt, zum Beispiel aus der sogenannten Späten Kaiserzeit im 4. Jahrhundert. Der essenzielle Unterschied zu den oben beschriebenen Entdeckungen liegt jedoch in der nachweisbaren Kontinuität der Besiedlung. Die noch älteren Siedlungsfunde haben mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nichts mit einer ursprünglichen Ortsgründung zu tun. Bei den Siedlungsspuren ab dem 7. Jahrhundert kann dagegen eine dauerhafte und durchgehende Nutzung nachgewiesen werden.

Exkurs: Laufhorizonte
Doch wie genau weist die Archäologie eine kontinuierliche Besiedlung nach, wie im Fall Hirschaid? Ein Beispiel ist der sogenannte „Laufhorizont": Dabei handelt es sich um eine historische Oberfläche auf der sich Menschen in einem gewissen Zeitraum bewegten. Mittelalterliche Siedlungen haben selten befestigte Wege. Pflaster aus Stein oder Wege aus Holzbrettern finden sich nur selten. Die Menschen liefen zwischen ihren Häusern, Ställen und Werkstätten über den nackten Boden. Der normale Humus der Oberfläche wird dabei entweder abgetragen oder so sehr verdichtet, dass sich eine feste Fläche ergibt. Ähnliches kann man zum Beispiel bei heutigen Trampelpfaden erkennen, bei denen sich im Bereich des oft benutzten Weges die Oberfläche so verdichtet, dass kein Pflanzenbewuchs mehr entsteht. Dabei verlieren die Menschen die über diese Fläche laufen kleine Gegenstände wie Glasperlen, Spielsteine, kleine Werkzeuge oder anderes. Mitunter wird auch der Abfall direkt auf dieser Oberfläche entsorgt.
Im Fall der Grabung in Hirschaid fanden sich innerhalb des gleichen Laufhorizontes Keramikscherben des 7. Jahrhunderts (Spätmerowingerzeit) bis in die Zeit um 1000. So lässt sich belegen, dass die Menschen über Generationen und Jahrhunderte hinweg die gleiche Fläche kontinuierlich als Siedlung nutzten. Und das bedeutet, dass Hirschaid deutlich älter ist, als es die urkundliche Ersterwähnung von 1079 nahelegt.

Die Bedeutung dieser archäologischen Untersuchung und der Erkenntnisse daraus können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Funde aus der Merowingerzeit liegen im Umfeld Hirschaids nur in sehr geringer Anzahl vor, so dass mit den hier festgestellten Befunden selbst eine Forschungslücke geschlossen werden konnte.

Überreste des Schmelzofens aus der Spätmerowingerzeit, 7. Jahrhundert, Hirschaid
Rekonstruktion eines Lehmofens einschließlich Laufhorizont, wie er in Hirschaid ausgegraben wurde (hier in Geschichtspark Bärnau-Tachov)
Glasperle aus der Spätmerowingerzeit, 7. Jahrhundert, Hirschaid
Feuerungsanlage aus dem 9./10. Jahrhundert, Hirschaid