Im Auftrag der Stadt Marktbreit, Landkreis Kitzingen (Unterfranken) hat die Bamberger Grabungsfirma IN TERRA VERITAS von April bis August 2019 auf dem Ohrenberg in Marktbreit einen archäologischen Oberbodenabtrag mit direkt angeschlossener Ausgrabung und Dokumentation der aufgedeckten Befunde durchgeführt. Das ausgegrabene Areal sollte als Wohngebiet ausgewiesen werden und enthielt in Teilen bereits ein bekanntes und eingetragenes Bodendenkmal. Deshalb war die Grabung eine denkmalschutzbehördliche Auflage.

Besondere Situation vor Ort
Die Ausgrabungsfläche lag in einer nach Norden/Nordwesten abfallenden Hanglage knapp unterhalb der Bergkuppe des Ohrenbergs mit einem Geländeabfall von 3-4m. In genau dieser geografischen Situation gestaltete sich die Ausgrabung schwieriger, als dies in der Ebene für gewöhnlich der Fall wäre. Und das nicht aufgrund der unebenen Arbeitsfläche, sondern weil hier ein Phänomen besonders stark zum Tragen kam, welches gemeinhin als Kolluvien bezeichnet wird.

Das Phänomen der Kolluvien
Kolluvien, eine kurze Erklärung: Als Kolluvien werden Erdmassen beschrieben, die aufgrund unterschiedlicher Ereignisse, wie z.B. Erdrutsche, Starkregen oder Erosion einen Hang hinabgerutscht sind und sich dort in Senken ablagerten. Diese Erdmassen beinhalten dabei alle Bestandteile des zum Zeitpunkt des Abgehens vorhandenen Materials. Dies sind vor allem die Humusdecke und Teile des anstehenden Bodens, aber auch archäologische Strukturen wie die Verfüllungen von Gruben, Pfosten, Gräbchen und Bestattungen mitsamt den darin enthaltenen Funden. Einfach ausgedrückt: Die Funde auf die Archäologen in diesen Ablagerungen stoßen, gehören dort ursprünglich überhaupt nicht hin.
Bei der nun konkreten Ausgrabung am Hang des Ohrenbergs, wurden mehrere solcher Kolluvien festgestellt, die sich in drei breiten Erosionsrinnen abgelagert hatten. Aus diesen konnte das Grabungsteam zahlreiche Funde, insbesondere Keramik aus der Zeit der sog. Linearbandkeramik (6000 – 4000 v.Chr.) bergen. Das Problem war allerdings, dass sich die Funde in solchen unterschiedlichen überlagerten Ablagerungen dabei nicht immer eindeutig trennen ließen. Auch Gruben- und Pfostenbefunde waren oft nur schwer zu erkennen.
Normalerweise gilt in der Archäologie eine Faustregel (vereinfacht ausgedrückt): Je tiefer man gräbt, desto älter werden die Funde. Beim Phänomen der Kolluvien wird diese Regel oft und im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf gestellt. Am Ohrenberg lagen beispielsweise 7000 Jahre alte Funde über neuzeitlichen und wurden vermutlich erst 1920 bei einem Starkregen und Hochwasser dorthin verfrachtet.
Natürlich ist es die Aufgabe von Archäologen dieses Phänomen zu erkennen und eben keine falschen Schlüsse daraus zu ziehen. Das machte jedoch die Arbeit nicht einfacher.

Positive Aspekte
Auf der anderen Seite bieten Kolluvien aber auch durchaus Vorteile. Speziell am Marktbreiter Ohrenberg ist eine Beobachtung interessant. Offensichtlich wurde eine ältere Siedlung am Berghang von einem Kolluvium überdeckt, welches irgendwann von weiter oben verschwemmt wurde. Einige Zeit später wurde darauf wieder eine Siedlung errichtet. Daraus können nun die Archäologen schließen, dass sich die Siedlung mindestens bis zur Bergkuppe ausgedehnt hat, ohne an diesem Ort überhaupt gegraben zu haben.
So können Kolluvien auch allgemein als Mittel verwendet werden, um unzugängliche Areale (z.B. aus Naturschutzgründen, wegen moderner Überbauung oder fehlenden Betretungsrechten) zumindest in Teilen indirekt archäologisch zu untersuchen.

Die Ausgrabungskampagne am Marktbreiter Ohrenberg hatte umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zu Tage gefördert. Nach der Vorstellung ausgewählter Funde und des Phänomens der Kolluvien folgen hierzu noch weitere Artikel, die sich mit bemerkenswerten Hausgrundrissen, Bestattungspraktiken und extremen Wetterbedingungen während der Grabung beschäftigen. Seien Sie gespannt…

Grenze eines Kolluviums, Ausgrabung am Ohrenberg in Marktbreit, Unterfranken
Kolluvium, Ausgrabung auf dem Ohrenberg in Marktbreit, Unterfranken
Oberbodenabtrag, deutlich sichtbare Hanglage der Ausgrabungsfläche, Ausgrabung Marktbreit/Unterfranken
Grabungsfläche mit Befundaufkommen und -verteilung, Ausgrabung Marktbreit/Unterfranken
Vereinfachtes Schema eines Kolluviums