Im dritten Jahrtausend vor Christus ist in ganz Europa die langsam endende Steinzeit zu beobachten. Im sogenannten Endneolithikum wird – mit regionalen Unterschieden – damit begonnen Kupfer zu verarbeiten. Und so wird am Ende dieser Entwicklung die Steinzeit von der Bronzezeit abgelöst. Besonders prägend für diesen Zeitraum ist das Aufkommen der sogenannten Becherkulturen – die Glockenbecherkultur und die Kultur der Schnurkeramik. Ein Phänomen, das zwar auf dem ganzen Kontinent auftritt, über das die Wissenschaft heute jedoch verhältnismäßig wenig weiß.

Die Glockenbecher und die Schnurkeramik. Benannt wurden beide Kulturerscheinungen über ihre charakteristischen Keramikformen. Schnurkeramische Becher sind vorzugsweise mit einem Muster versehen, das durch Abdrücke von Schnüren entsteht. Bei den Glockenbechern hingegen handelt es sich um Gefäße, die an eine auf dem Kopf stehende Glocke erinnern. Außerdem zeigen die Glockenbecher eine für die Vor- und Frühgeschichte Europas ganz besonders schicke Verzierung aus allerhand geometrischen Mustern.
Eine Mitarbeiterin von IN TERRA VERITAS neben einer überdimensionalen Nachbildung eines Glockenbechers. (Quelle: Marlene Ruppert-Dallmann)
Schematische Darstellung eines schnurkeramischen Bechers mit Schnurverzierung. (Quelle: Marlene Ruppert-Dallmann)

Eine paneuropäische Entwicklung
Zuerst entwickelt sich die Kultur der Schnurkeramik in verschiedenen Gegenden in Ost- und Mitteleuropa um 2800 bis 2200/2100 v. Chr. Etwas später setzt die Glockenbecherkultur oder auch das Glockenbecherphänomen ein (ca. 2500 bis 2200 v.Chr.). Während sich die Schnurkeramik von Osten her verbreitet, ist der Ursprung der Glockenbecher noch nicht abschließend geklärt. Vermutlich findet sich ihr Ursprung auf der Iberischen Halbinsel, da von dort die bisher ältesten Datierungen stammen und sie verbreitete sich über Mitteleuropa bis nach Ungarn und Nordafrika. Beide Kulturen trafen dann in Mitteleuropa aufeinander und Nordbayern liegt genau in diesem Kontaktgebiet. Wie genau dieser Kontakt allerdings ausgesehen hat und ob es einen gegeben hat, ist weiterhin unklar. Bisweilen stellt man sich ein dialektisches Verhältnis der beiden Kulturen vor.

Das meiste erzählen „die Toten"
Das Bemerkenswerte der Becherkulturen ist, dass sie fast nur über Gräber ausgemacht werden können. In unseren Breitengraden gibt es so gut wie keine Siedlungsnachweise. Beide Kulturen verfolgen einen bipolaren und geschlechtsdifferenzierten Bestattungsritus. Die Schnurkeramiker bestatten ihre Toten in Hockerposition mit Blick nach Süden. Dabei liegt der Kopf von Frauen im Osten und der von Männern im Westen. Die Glockenbecherleute bevorzugen ebenso die Hockerlage für ihre Verstorbenen. Allerdings werden diese mit Blick gen Osten beigesetzt. Hier liegen Frauen mit dem Kopf im Süden und Männer mit dem Kopf im Norden.

Nordbayern
In den letzten Jahrzehnten sind in Oberfranken zwar einige neue Funde der Glockenbecherkultur hinzugekommen, aber eine rege Siedlungstätigkeit kann man hier dennoch nicht nachweisen. Archäologische Ausgrabungen stoßen ab und zu auf wenige Gräber oder einzelne Scherben. Auch in Höhlen kommen manchmal Funde zum Vorschein.
Was Hausgrundrisse oder größere Siedlungen angeht, sind die Nachweise für die Glockenbecherkultur besonders spärlich. Die meisten Fundstellen sind nur durch wenige Lesefunde nachweisbar, die sich meist in Niederungen befinden. Größere Siedlungen scheint es nicht gegeben zu haben oder können zumindest von der Archäologie bisher nicht erkannt werden.
In Mittelfranken konnten Häuser mit schiffsförmigem Grundriss nachgewiesen werden. In Unterfranken zeigen sich eher trapezförmige Grundrisse, die aus der thüringischen Region stammen und schon in die Bronzezeit verweisen. Im angrenzenden Thüringen ist die Befundlage etwas besser. So zeigen uns dortige Siedlungs- und Gräberfeldstrukturen, dass der Übergang zur Frühbronzezeit ein schleichender Prozess gewesen sein muss. Er ging scheinbar so schwammig von statten, dass in Einzelfällen archäologisch gar nicht mehr zwischen endneolithischen Glockenbechern und der dortigen Frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur – die auf die Glockenbecher folgte – unterschieden werden kann.

In Unterfranken ist die Anzahl entdeckter schnurkeramischer Bestattungen etwas höher. So kann man inzwischen davon ausgehen, dass sich die Schnurkeramiker entlang der Tauber und im südlichen Maindreieck bis an den Rand des Steigerwalds aufhielten. Aus der nördlichen Frankenalb haben wir Hinweise auf schnurkeramische rechteckige Häuser in Blockbauweise. Im Allgemeinen werden wohl eher geschützte Siedlungsräume aufgesucht.

Es gibt zwar einige Studien, die sich mit den Funden des Endneolithikums in fränkischen Kleinregionen beschäftigen, aber größere Überblicksanalysen zum Beispiel für Unterfranken fehlen weitestgehend. So kann für Franken und die Oberpfalz leider nur ein sehr lückenhaftes Bild gezeichnet werden. Insgesamt bräuchte es auch größere Grabungsflächen, um das glockenbecherzeitliche Siedlungsbild überhaupt einmal ordentlich nachweisen zu können.

Literatur:
M. Nadler, Haus und Siedlung im 3. Jahrtausend v. Chr. in Nordbayern. In: U. Meller et al (Hrsg.), Siedlungsarchäologie des Endneolithikums und der frühen Bronzezeit. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 20 (Halle/Saale 2019), 701-716.
T. Seregély, Endneolithische Siedlungsstrukturen in Oberfranken I. Wattendorf-Motzenstein. Eine schnurkeramische Siedlung auf der nördlichen Frankenalb. Univforsch. Prähist. Arch. 154 (Bonn 2008).
Ch. Züchner, Die Steinzeit in Oberfranken. In: B.-U. Abels/ W. Sage/Ch. Züchner, Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit (Bamberg 1996), 25-65.
M. Schußmann, Neue Gräber der schnurkeramischen Kultur zwischen Taubertal und Steigerwald. Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 57, 2016, 41-99.
R. Großmann, Das dialektische Verhältnis von Schnurkeramik und Glockenbecher zwischen Rhein und Saale. Univforsch. Prähist. Arch. 287 (Bonn 2016).
M. Ruppert-Dallmann, Das glockenbecherzeitliche Gräberfeld und die Siedlungsreste der Aunjetitzer Kultur aus Wenigensömmern, Lkr. Sömmerda. In: V. Becker et al, Varia Neolithica X (Langenweißbach 2020), 69-75.

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