Eines der schönsten Beispiele keltischen Kunsthandwerks aus Franken stammt aus der Höhensiedlung auf dem oberfränkischen Staffelberg im Landkreis Lichtenfels. Figürliche Fibeln (Abb. 1.1), bestehend aus einem Dreiklang aus Tier-, Vogelkopf- und Maskenfibeln haben dort die Jahrtausende überdauert. Im Allgemeinen sind nur wenige Schlaglichter des berühmten keltischen Kunsthandwerks aus unserer Region bekannt. Ein Beispiel ist die tönerne Nachbildung einer etruskischen Schnabelkanne (Abb. 1.2), die auch die weitreichenden Kontakte der fränkischen Kelten veranschaulicht. In den Kunststilen selbst sind mediterrane Einflüsse zu beobachten. Doch wie genau entwickelt sich eigentlich die Kunst der Kelten?
Die Kunst der Kelten diente zur Ausschmückung verschiedenster Gegenstände wie Fibeln, Schmuck, Waffen, Gefäße, Wagen und vieles mehr. Die Dekore zeigen dabei einen expressiven Kunstausdruck, dessen tiefgreifende Aussage allerdings bis heute nicht ganz verstanden wurde. Hierzu fehlt der Wissenschaft leider bisher der Schlüssel, da es keine schriftlichen Quellen zum Sinnverständnis der keltischen Kunst gibt. Und obwohl sich die handwerklichen Techniken als auch die Dekore über die Jahrhunderte weiterentwickelt haben bleiben die Hauptmotive und Themen doch beständig. Dazu zählen beispielsweise maskenartige Gesichtsdarstellungen, die von (Fabel-)Tieren umschlossen werden.
Seit Paul Jakobsthals Grundlagenwerk „Early Celtic Art" werden verschiedene Dekorstile unterschieden, die zeitlich aufeinander folgen. Hauptkennzeichen ist die überbordende Ornamentik, die von einfachen geometrischen Grundformen bis hin zu komplexen Kompositionen und abstrahierten Motiven reicht.
Abb. 1.1) Figürliche Fibeln vom oberfränkischen Staffelberg (Quelle: Archäologischer Führer Oberfranken, Abb. 44)
Abb. 1.2) Etruskische Schnabelkanne (Quelle: Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, 131)
Der Frühe Kunststil der Kelten (Quelle: Die Welt der Kelten)

Am Anfang noch recht statisch
Im 5. Jahrhundert v.Chr. dominiert der sogenannte Frühe Stil, der sich ausgehend von den geometrischen Motiven der Hallstattzeit (Abb. 2.1), die Zeit der frühen Kelten, entwickelte. Hauptsächlich werden organische Pflanzen- und Zirkelornamente (Abb. 2.2, 2.3) verwendet, die allerdings noch sehr statisch wirken. Interessant ist dabei, dass hierfür ein Zirkel benötigt wurde. Der älteste keltische Zirkel wurde bei Prag gefunden und stammt aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Im östlichen Raum werden besonders gerne Muster wie Kreisbögen, Spiralen, Wellenranken und Wirbel angewendet. Noch im gleichen Jahrhundert tauchen dann plötzlich figürliche Darstellungen wie Masken, Fratzen, Tiere, Menschen und Fabelwesen (Abb. 2.4) auf. Es gibt auch seltene Beispiele von erzählenden Darstellungen, wie die Linsenflasche von Matzhausen (Abb. 2.5) aus der Oberpfalz. Sie zeigt einen Hund bei der Hasenjagd. Der Frühe Stil findet sich vor allem auf Schmuck, Waffen und Gefäßen aus Metall, selten dagegen auf Keramik.

Es kommt Bewegung in die Kunst
Im 4. Jahrhundert v. Chr. kommt der sogenannte Waldalgesheimstil auf, benannt nach einem Fundort in Rheinland-Pfalz. Das dort ausgegrabene Prunkgrab (um 320 v. Chr.) enthielt eine Fülle an auserlesenen Schmuckstücken. Sie zeigen, dass Bewegung in die Ornamentik kam, denn die Rankenmotive scheinen flexibler und nicht mehr so steif. So ist die fortlaufende Wellenranke (Abb. 3.1) auch das häufigste Motiv in dieser Zeit. Bezeichnend für den Stil sind auch sogenannte Vexierbilder (Abb. 3.2), eine Art Suchbild, in denen sich menschliche Gesichter verstecken. Besonders ist auch, dass die einzelnen Motive eines Dekors nebeneinander liegen und sich nicht berühren.

Waldalgesheimstil (Quelle: Die Welt der Kelten)

Die Motive werden dreidimensional
Im Späten Stil des späten 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr. wird zwischen dem Plastischen Stil und dem Schwertstil unterschieden.
Im Plastischen Stil werden die ehemals flachen Motive nun dreidimensional. Vor allem Arm-, Bein- und Halsringe bekommen abstrakt ausgeformte Ranken und Spiralen (Abb. 4.1). Besonders typisch sind die von Frauen als Beinringe getragenen Hohlbuckelringe (Abb. 4.2), aneinander gereihte hohle Halbkugeln mit Scharnierverschluss. Auch die plastische Darstellung von menschlichen und tierischen Gesichtern sind typisch für die Zeit (Abb. 4.1).
Der bereits ab 380 v. Chr. einsetzende Schwertstil zeichnet sich hingegen durch flächige, oft frei gestaltete und asymmetrische Muster aus, die insbesondere auf Schwertscheiden und Lanzenspitzen zu finden sind. Dabei handelt es sich entweder um Fabelwesen bzw. Drachen oder Rankenornamente im Waldalgesheimstil (Abb. 4.3). Außerdem sind Einlagen aus Bronze, Eisen oder Koralle beliebt. Ab 250 v. Chr. tragen die jüngeren Schwertscheiden allgemein eher Motive von S-Formen, rankenförmige Dreierwirbel und Tier- bzw. Fabelwesen (Abb. 4.4). Insgesamt scheinen die Kunsthandwerker in der Gestaltung experimentierfreudiger zu sein. Besonders typisch für die das Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. sind Darstellungen von sich gegenüberstehenden Drachen.

Später Kunststil der Kelten (Quelle: Die Welt der Kelten)

Ab 200 v. Chr. bis 150 v. Chr. werden die Verzierungen immer weniger und finden sich nun nur noch an wenigen Stellen auf den Schwertscheiden. Die bildlichen Darstellungen auf Waffen gehen allgemein zurück und tauchen nun mehr auf anderen Trägern wie beispielsweise Münzen auf. Es bleibt die Frage, ob hinter diesem Wandel vielleicht auch ein Bedeutungswandel der Bildträger steckt.

Auf den britischen Inseln werden die festlandeuropäischen Kunststile mit zeitlicher Verzögerung umgesetzt. Dort entwickeln sie sich dann zu reichen, komplexen Ziermustern weiter, die durch farbenfrohe und kontrastreiche Emaileinlagen ergänzt werden. In der irischen Buchmalerei, aber auch auf Alltagsgegenständen finden sich noch bis ins 7. Jahrhundert n. Chr. sehr aufwändige keltische Muster. Ab hier werden sie zunehmend auch mit germanischen Stilelementen gemixt und gehen so im 8. Jahrhundert n. Chr. in einem Mix-Stil auf. Die sogenannten „Teppichseiten" (Abb. 5) des „Book of Lindisfarne" (um 710/720 n. Chr.) sind ein solches imposantes Beispiel in denen keltische Trompetenwirbel und germanisches Flechtwerk gleichsam nebeneinander dargestellt sind.

Insgesamt kann so also von 1000 Jahren keltischer Kunst gesprochen werden.

Abb. 5) Teppichseite (Quelle: Die Welt der Kelten)

Literatur:

M. Guggisberg /Th. Hoppe, Von Zirkeln, Ranken und anderen Dingen. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 42-54.

B.-U. Abels, Die vorchristlichen Metallzeiten. In: W. Sage (Hrsg.), Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit (Bamberg 1996), 65-161.

Th. Hoppe/B. Schorer, Dämonenfratzen und Zirkelmuster. Die Geburt der Latènekunst. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 230-244.

F. Müller, Keltische Ornamentik par excellence. Der Waldalgesheimstil. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 295-299.

V. Megaw, Dreidimensional. Der Plastische Stil. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 304-307.

Th. Lejars, Verschlungene Verzierungen. Der Schwertstil. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 318-325.

F. Hunter, Vielfalt und Einheit, Tradition und Veränderung. Keltische Kunst in Großbritannien und Irland. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 474-484.

B. Armbruster, Blech und Draht. Goldschmiedetechniken der Frühlatènezeit. In: Die Welt der Kelten. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Landesmuseum Württemberg, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), Die Welt der Kelten. Zentren der Macht. Kostbarkeiten der Kunst. Begleitband zur Großen Landesausstellung Baden-Württemberg 2012 (Ostfildern 2012), 245.