Auf dem Bamberger Domberg stand einmal die Tattermannsäule und stellte den Nabel der Welt dar. Heute erinnert ein modernes Kunstwerk daran: eine in den Boden eingelassene Granitplatte. Doch viel weiß man über die Tattermannsäule tatsächlich nicht. Und was hatte es mit dem Nabel der Welt überhaupt auf sich?
1779 waren die Bauarbeiten vor dem Bamberger Dom in vollem Gange. Um einen Zugang zur unteren Stadt zu erreichen wurde der Domplatz einplaniert und auf ein niedrigeres Niveau gebracht. Im Zuge dieser Bauarbeiten hatte der Fürstbischöfliche Geheime Kanzlist Johann Georg Endres (1736-1802) die Säule vermessen, gezeichnet und beschrieben. Daher wissen wir heute genau, dass sie bis zum 11./12. Januar 1779 auf dem Domberg stand. Wann sie dort jedoch aufgestellt wurde, ist nicht bekannt.

Was wir über die Säule wissen
Nach der Beschreibung von Endres in Verbindung mit diversen bildlichen Darstellungen, lässt sich die Tattermannsäule auf eine Höhe von 8,42 m schätzen. Sie bestand aus einer runden Säule mit einer krönenden Figur auf einer Kugel. Rund um das Kapitell – dem oberen Abschluss der Säule – waren vermutlich jeweils eine Löwen-, Adler- und Stierfigur als Evangelistensymbole angebracht. Die bildlichen Quellen sind hier aber widersprüchlich, sodass dies nicht eindeutig geklärt werden kann. Die Darstellungen der krönenden Figur zeigen einen schlanken, wohl bis auf ein Lendentuch nackten Menschen, der die rechte Hand abgewinkelt über den Kopf erhebt. Linke Hand und Arm hängen leicht angewinkelt am Körper herab. Vermutlich handelte es sich um eine Christusdarstellung. Eine Löwenfigur im Bamberger Museum wird der Tattermannsäule zugeschrieben, wodurch diese in das 14. Jahrhundert datiert werden kann. Sicher ist das allerdings nicht. Die älteste Darstellung der Säule stammt aus dem Berliner Kupferstichkabinett aus dem Jahr 1476.

Zeichnung der Tattermannsäule von Johann Georg Endres 1779 (Ausschnitt; Schemmel 2004, 5 Abb. 3)
Woher der Name „Tattermannsäule" stammt, bleibt ein Rätsel. Erstmals belegt ist der Ausdruck „Dattermann" durch den Markgraf Albrecht Alcibiades 1553, welcher zu dieser Zeit in Bamberg weilte. Ob sich die Bezeichnung auf Christus als Besieger der Hölle (Tartaros) oder auf den weithin gebräuchlichen Begriff „Tattergreis" bezieht, konnte bisher ebenfalls nicht geklärt werden. Möglicherweise entstand der Name aus dem verwitterten, fragil-bizarren Aussehen des Tattermannes. Da die religiöse Bedeutung der Darstellung ebenso unbekannt ist, kann auch von dieser Seite keine Herleitung der Bezeichnung erfolgen.
Kolorierte Federzeichnung der Pflugscharprobe der Heiligen Kunigunde um 1500 (Ausschnitt; Schemmel 2004, 10 Abb. 7)
Was hat es mit dem Nabel der Welt auf sich?
Die Verbindung der Tattermannsäule mit dem Nabel der Welt entstand durch die Vorstellung, dass Kaiser Heinrich II. mit der Gründung des Bistums Bamberg das Zentrum seines Reiches markieren wollte. In dem zwischen 1007 und 1014 entstandenem Preisgedicht von Abt Seeon wird die Bamberger Kirche als „das Haupt des Erdkreises" bezeichnet und weiter heißt es „aller Ruhm, hier wird er begründet". 600 Jahre später beschränkt sich der Bamberger Magister Johannes Bonius auf eine rein geographische Aussage, wenn er schreibt: "Statt, welche in Centro unnd mitten in Teutschland liegt". Auch Matthäus Merian schreibt 1648 in der Topographia Franconiae: „Es wird diese Stadt von theils für dz Mittel deß Teutschlands gehalten". Aber erst 1744 wurde erstmals der Ausdruck „Nabel" verwand. Christian Schramm erwähnt in seinem Reiselexikon „Sonst nennet man auch diese Gegend, so der mittel-Punct von Deutschland seyn sooll, Umbilicum Germaniae". Kurz darauf wird dies von Johann Georg Hager aufgenommen: „Ja, man giebt vor, es wäre diese Stadt der Mittelpunct von Teutschland Lat. VMBILICVS GERMANIAE, genennet wird." Eine deutlichere Verbindung findet sich erstmals bei Anton Schuster, der 1897/1898 in einer Zeitungsbeilage vom Bamberger Dom als Wahrzeichen berichtet „Auf sothanen Burgplatz stehe auch eine merkwürdige Säule, der Tatermann und selbigen Fleck sei der Nabel Deutschlands".
Es wird also deutlich, dass die Interpretation als Nabel der Welt deutlich jünger ist als die Bestrebungen von Kaiser Heinrich II. das Zentrum seines Reiches zu markieren. Zumal gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Säule zu Heinrichs Zeiten bereits aufgestellt wurde. Die erste schriftliche Erwähnung der Tattermannsäule stammt von Hartmann Schedel (1440-1514): „Vor der bischöflichen Kurie ist eine alte, dem Osten zugewandte Bildsäule aufgestellt".
Wann die Säule aufgestellt wurde, wo sie genau stand und was sie darstellte ist nach wie vor unbekannt. Die Rätsel um die Tattermannsäule bleiben also weiterhin im Dunkel der Geschichte verborgen.
Kolorierte Federzeichnung der Alten Hofhaltung von Johann Georg Kauffmann 1777 (Ausschnitt; Schemmel 2004, 17 Abb. 11)

Literatur:
B. Schemmel (Hrsg.), Die Bamberger „Tattermannsäule". Eine Dokumentation, Bamberg 2004.