Am 8. September 2022 verstarb Queen Elizabeth II. Die Bilder der Trauerzeremonie gingen um die Welt. Neben dem „Klatsch und Tratsch" in der Boulevardpresse zeigten sie aber auch eines: Das Begräbnis war ein durchgetakteter Staatsakt, der auf alten historischen Ritualen basiert. Grund genug, sich ein königliches Begräbnis im England des Spätmittelalters genauer anzusehen. Ein sehr gut überliefertes Beispiel ist King Henry V. – also Heinrich V. (1387-1422). Er war Elizabeths Urururururururururururururururururgroßcousin 2. Grades.
König Heinrich V. starb am 31. August 1422 in Vincennes bei Paris, nachdem er sich bei der Belagerung von Meaux mit der Krankheit Ruhr angesteckt hatte. Sein Körper wurde einbalsamiert und in einem Bleisarg nach Notre Dame in Paris gebracht, wo eine Messe für ihn gehalten wurde. Anschließend ging es weiter nach Rouen. Der Leichnam des Königs wurde hier längere Zeit aufbewahrt, um in England die nötigen Vorbereitungen für eine angemessene Beerdigung zu treffen. Nach englischer Sitte wurde eine hölzerne Figur mit dem Gesicht des verstorbenen Herrschers auf den Sarg aufgestellt. Sie war mit einem Purpurmantel mit Hermelinbesatz gekleidet und außerdem mit Krone, Zepter und Reichsapfel ausgestattet.
Restauriertes Oberteil der hölzernen Figur von König Heinrich VII. Die Figur von Heinrich V. ist nicht erhalten. (Burden, S. 91, Abb. 4.2)

Die Kutsche
Für den Transport des toten Königs stand eine spezielle Kutsche zur Verfügung. Ihr Boden war mit Heu gepolstert und mit einem schwarzen Tuch abgedeckt. Darauf wurde der Sarg gestellt, auf dem wiederum ein wertvolles Tuch gebreitet war. Und auf diesem stand ein Bild von Christus als Richter. Die Kutsche war vorne und hinten mit zwei großen Kerzen und drei Bannern mit Darstellungen der Heiligen Dreifaltigkeit, der Jungfrau Maria und dem heiligen Georg geschmückt. Sie wurde von vier Pferden gezogen, von dem jedes einzelne von einem Stallburschen geführt und von einem in schwarzer Kutte gekleideten Pagen geritten wurde. Die Pferde selbst trugen jeweils eine Schabracke mit Abbildungen des Heiligen Georg, St. Edward dem Bekenner, St. Edmund dem Märtyrer, das persönliche Wappen von Heinrich V., sowie die Wappen von England und Frankreich.

Der Trauerzug
Dem eigentlichen Trauerzug voran zogen Untertanen in schwarzen Roben mit Fackeln. Der Trauerzug Heinrichs V. wurde von führenden Beamten des Hofstaats angeführt. Dahinter liefen mehrere Geistliche unterschiedlicher Ränge, darunter auch der Beichtvater und Hofkaplan des Verstorbenen. Darauf folgten mehrere Ritter und Lords zu Pferd. Dahinter ritt ein Earl (Herzog) in voller Rüstung aber ohne Helm und mit einer nach unten gerichteter Streitaxt bewaffnet. Sein Pferd war in den Farben Heinrichs V. geschmückt. Dieser Ritter symbolisierte den toten König, dem weitere schwarz gekleidete Ritter mit dem königlichen Wappen folgten. Erst dann kam die Kutsche mit dem Sarg, die von den wichtigsten Trauernden begleitet wurde. Während des Leichenzugs in Frankreich war dies Katherine von Valois, die Witwe des Königs. Auf der englischen Seite des Ärmelkanals übernahm diese Rolle James I. von Schottland. Auf der Strecke zwischen der englischen Küste nach London machte der Zug mehrere Male über Nacht Halt an den wichtigsten Kirchen. Jedes Mal wurde dabei ein aufwendiger Schrein errichtet, geschmückt mit schwarzem Tuch und zahlreichen Kerzen.

Die Zeremonie in London
Für die Ankunft wurden die Straßen der Hauptstadt gesäubert und geschmückt. Der Bürgermeister und die Mitglieder des Stadtrats, begleitet von 300 in weiße Gewänder gekleideten Fackelträgern empfingen den Trauerzug. Der Sarg wurde über Nacht in der St. Paul's Cathedral aufgebahrt und am Folgetag durch mit Zuschauern gesäumten Straßen zur Westminster Abbey gebracht. Dort dauerte die Beerdigungsfeier weitere zwei Tage.

Der Sarg wurde hier in einen eigens angefertigten Schrein vor dem Hauptaltar aufgebahrt. Dieser war noch einmal von hölzernen Barrieren umgeben, die mit schwarzem Stoff eingeschlagen waren. Die Barrieren dienten der Abgrenzung von wichtigen und weniger wichtigen Teilnehmern der Trauerfeier. Der Klerus saß im Chorgestühl. Die Messe wurde durch den Erzbischof gehalten, der auch das Weihrauchfass schwenkte. Alle Gäste waren in schwarzem Samt gekleidet. Nach dem Gottesdienst durften sie sich zum Abendessen zurückziehen. Durch die Nacht hindurch gab es eine Ehrenwache aus wechselnden Mitgliedern des Hofstaats.

Am Folgetag wurden wieder drei Messen gelesen, bei denen die Trauergäste Opfergaben in Form von golddurchwirktem Tuch darbrachten. Die Westminster Abbey erhielt dadurch 222 "goldene Tücher", von denen 40 weiterverkauft und der Rest dem Klosterschatz zugeführt wurden. Die Beisetzung selbst erfolgte bei der letzten der drei Messen. Während des Requiems zur letzten Messe kam ein Ritter auf dem Pferd und in der Rüstung des Königs zum Altar. Damit sollten symbolisch das Pferd und die militärischen Erfolge als Opfer dargebracht werden.

Aufbahrungsschrein für Abt Islip (+1532), a: äußere Schranken, b: Innere Schranken, c: Aufbau, d: Sarg (Burden, S. 97, Abb. 4.6)

Nach der Beisetzung ritt ein zweiter Ritter in ähnlicher Rüstung zur Grabstätte des Königs und legte das königliche Wappenschild umgedreht zu Füßen des Toten nieder. Dieses Ritual sollte zeigen, dass der König verstorben war. Anschließend wurde von einem Angehörigen des Königshauses der Schild aufgehoben und richtig herum wieder niedergelegt, um zu zeigen, dass der neue König lebt und dessen erfolgreiche Nachfolge anzuzeigen. Diese Symbolhandlung wurde durchgeführt, auch wenn der neue König noch nicht gekrönt war.

Nach Ende der Beisetzungszeremonien wurden Almosen und Nahrung unter der Bevölkerung verteilt.

Der Nachfolger Heinrichs V. war sein Sohn Heinrich VI., der zu diesem Zeitpunkt gerade einmal acht Monate alt war. Das Königreich wurde bis zu seinem 10. Lebensjahr von Stellvertreter-Regenten verwaltet.


Literatur:
Joel Burden, English Royal Funerals in the fifteenth century, in: J.R. Mulryne, European festival studies: 1450-1700, Trunhout, Belgium 2021. S.89-106