Das „Verpacken" eines Leichnams in ein stabiles Behältnis ist keine neue Erfindung. Man denke beispielsweise an Sarkophage oder Baumsärge aus der Vorgeschichte, Antike oder dem frühen Mittelalter. Trotzdem zog es sich über Jahrhunderte, bis der Sarg im Bestattungsbrauch zur Selbstverständlichkeit wurde.
Im Hoch- und Spätmittelalter war es gemeinhin üblich, die Toten lediglich in ein Leichentuch gehüllt in die Grabgrube zu legen. Ausnahmen bildeten nur die Grablegen von weltlichen Herrschern und hohen Geistlichen, die schon immer ein deutlich aufwändigeres Begräbniszeremoniell erhielten als die breite Bevölkerung. Erst ab dem 16. Jahrhundert löste der Sarg ganz allmählich das Leichentuch ab, wobei es regionale Unterschiede gab. In Nord- und Mitteldeutschland setzte sich die Sargbestattung schneller durch als im süddeutschen Raum und auch zwischen Stadt und Land zeigten sich Gegensätze. In großen Reichsstädten wie Nürnberg oder Regensburg waren Särge recht früh verbreitet. Das war einerseits dem wohlhabenden Bürgertum zuzuschreiben, das aus Prestigegründen auch hier keine Kosten und Mühen scheute, andererseits galten Sargbestattungen als hygienischer und spielten als vorbeugende Maßnahme gegen Seuchen eine große Rolle. Denn Kirchen und Friedhöfe hatten sich im Laufe der Jahrhunderte mit immer mehr Gräbern gefüllt, was neben Platzproblemen auch zu Geruchsbelästigungen führen konnte. In den Kirchen drang der Gestank durch die Ritzen der Grabplatten und auf den Friedhöfen lagen die Gräber zum Teil so dicht unter der Erdoberfläche, dass auch dort der Verwesungsgeruch kaum zu ignorieren war. Nach damaliger Vorstellung waren schlechte Gerüche die Hauptursache für die Verbreitung von Krankheiten, weshalb Stadträte und Ärzte auf eine Sargpflicht drangen, um diese schädlichen Ausdünstungen einzudämmen.
Frauen im Spital nähen einen Leichnam in ein Leichentuch ein (Descœudres 1995, Abb. 52)
Handgeschmiedete Sargnägel aus Eisen (IN TERRA VERITAS)

Im wahrsten Sinne des Wortes Erd-möbel
Für die Fertigung der Särge waren Tischler und Schreiner zuständig. Jeder Sarg wurde individuell auf Maß und nur auf Bestellung hergestellt. Aus einzelnen, gehobelten Brettern entstanden mit Hilfe von Holzdübeln und Eisennägeln rechteckige oder trapezförmige Kästen mit flachen oder dachförmigen Deckeln. Handwerklich und optisch unterschieden sich diese Särge zunächst kaum von normalen Aufbewahrungstruhen oder Kästen. Selbst die Beschläge und Griffe an prunkvoll gestalteten Holzsärgen stammten in erster Linie aus dem Möbelbau und finden sich formgleich an zeitgenössischen Aufbewahrungsmöbeln.

Im archäologischen Befund lassen sich Särge meist nur anhand eiserner Nägel nachweisen, da sich das Holz im Erdreich nur unter günstigen Bedingungen erhält. Auch je nach Holzart ist der Grad der Erhaltung unterschiedlich gut. Eiche oder Buche überdauern die Zeit im Boden besser als zum Beispiel Tannen- oder Fichtenholz. Welches Holz am Ende für den Sargbau verwendet wurde, war in erster Linie eine Preisfrage. Hartholz kostete weit mehr als Weichholz und vielerorts war es zudem verboten, wertvolles Bauholz wie Eiche zu Särgen zu verarbeiten. Grundsätzlich waren Bestattungen mit Särgen teurer als ohne und so blieb der Kauf von „Erdmöbeln" lange Zeit ein Privileg der vermögenden Schichten. Das zeigt sich auch im archäologischen Befund, denn in ländlichen Gegenden kommen Särge deutlich seltener vor und Gräber ohne Sarg finden sich dort noch bis weit in die Neuzeit.
Sargbestattung des 17./18. Jahrhunderts mit erhaltenen Holzresten (IN TERRA VERITAS)
Bestattung ohne Sarg in einem Grab aus dem 17./18. Jahrhundert (IN TERRA VERITAS)
Ab dem 17. und vor allem im 18. Jahrhundert sollten offizielle Leichen- und Friedhofsordnungen für ein geregeltes Bestattungswesen sorgen. Sie enthielten festgelegte Grabtiefen und nach Preisen gestaffelte Begräbnisklassen. Die Klasseneinteilung richtete sich nach dem gesellschaftlichen Stand und dem finanziellen Vermögen der verstorbenen Person bzw. ihrer Angehörigen. Zudem gab es Sonderkonditionen für Kinderbestattungen. Außerdem führte die Einrichtung sogenannter Sargmagazine dazu, dass Särge auf Vorrat und in genormten Größen und Ausführungen vorproduziert wurden. Mit der fortschreitenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert löste die maschinelle Fabrikation die handwerkliche Fertigung allmählich ab. Neue Holzbearbeitungstechniken, vorgefertigte Beschläge, Zierwerk aus preiswerten Materialien und die Serienproduktion sorgten für eine Vereinheitlichung der Sargmodelle und deckten zugleich den Bedarf an „Erdmöbeln" in allen Preisklassen.

Literatur
G. Descœudres u.a., Sterben in Schwyz. Basel 1995
F. Knispel, Zur Geschichte des Sarges. Wien 1984
R. Ströbl/A. Ströbl, Vom Dorftischler zur Sargfabrik – Bestattungskultur an der Schwelle zur Moderne In: F. Jürgens/U. Müller (Hrsg.), Archäologie der Moderne. Standpunkte und Perspektiven. Sonderband Historische Archäologie 2020 (Onlineversion), 372–386