Kirchenbauten, materielle Kultur und schriftliche, bzw. ekklesiastische Quellen sind wichtige Indizien für eine christlich geprägte Gesellschaft, zumindest unter wohlhabenden Personen. Doch die Datierung und Zuordnung einzelner in Bayern gefundener Sakralbauten sowie Objekte zum frühen Christentum sind problematisch. Wie christlich Bayern bereits in der Spätantike war, ist ein Diskussionsthema.  

Ein frühchristlicher Kirchenbau wurde bei Ausgrabungen in der St. Severin Kirche zu Passau 1976 entdeckt. Hier fanden ArchäologInnen eine 60 m² große Saalkirche mit halbrundem Chorumgang. Diese hatte unter anderem einen Vorraum im Westen und wies auf ein Reliquiengefäß im Zentrum der Apsis hin. Die in der Vita Sancti Severini des Eugippius (ca. 465 - nach 533) erwähnte cella könnte, wie das spätantike Kastell von Boiotro, zwischen 452 und 482 erbaut worden sein. Zwar wird angenommen, dass ein Teil der germanischen Einwanderer des 5. Jahrhunderts christlich war, doch stammen die meisten ersten christlichen Zeugnisse in der Region erst aus dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts. Dies ist die Konsolidierungszeit des bayerischen Herzogtums unter Mitwirkung des langobardischen Königshauses. Im Jahr 589 heiratete Theodolinde, die Tochter des ersten überlieferten Herzogs von Bayern Garibald, den langobardischen König Authari. Eine politische Beziehung zwischen Bajuwaren und italischen Langobarden belegen auch archäologische Funde, wie die aus einem reichen Frauengrab in Burgweinting bei Regensburg. Die um 570 verstorbene und hier bestattete Frau besaß neben dem Goldblattkreuz auch eine prachtvolle Fibel mit einem gleichschenkligen Kreuz im Zentrum.

Regensburg-Burgweinting: Goldblattkreuz aus einem reichen Frauengrab um 580 n.Chr. (Codreanu-Windauer, 2010, S. 206, Abb. 1)
Regensburg-Burgweinting: Almandinscheibenfibel mit gleichschenkliger Kreuzdarstellung aus einem reichen Frauengrab um 580 n.Chr. (Condreanu-Windauer, 2010, S. 206, Abb. 2)

Regensburg: Die Wiege des bayerischen Christentums?
Wann genau die ersten Christen in Regensburg lebten, ist unbekannt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass bereits im 4. Jahrhundert eine christliche Gemeinde existierte. Regensburg gehörte zu dieser Zeit zur römischen Provinz Raetia secunda. Bereits unter Konstantin dem Großen stand im Römischen Reich die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion an, was durch den oströmischen Kaiser Theodosius I. im Jahr 380 erklärt wurde. Regensburg war ein römisches Legionslager mit einer Zivilsiedlung außerhalb der Mauern. Nach den Militärreformen von Kaiser Deokletian (284-305) wurde die Zahl der Soldaten dort zwar auf ein Drittel reduziert, andererseits siedelten die Römer zu Beginn des 4. Jahrhunderts auch Zivilpersonen innerhalb der Steinmauern an.

Das älteste Indiz: Die Grabinschrift der Sarmanna
Als wohl erstes christliches Zeugnis in Bayern gilt die Grabinschrift der Sarmanna aus Regensburg. Der Grabstein kam 1839 im Norden von Kumpfmühl auf dem großen römischen Gräberfeld bei Baumpflanzarbeiten zu Tage. Leider ist heute nicht mehr bekannt, in welchem Zusammenhang der Grabstein gefunden wurde, der sich heute im Historischen Museum Regensburg befindet.
Die Grabinschrift der Sarmanna, Historisches Museum Regensburg (Dresken-Weiland, 2014, S. 45)
Bisher ist nur eine historische Figur mit dem Namen Sarmanna bekannt. Dabei handelt es sich um eine Frau, die als die erste namentlich bekannte Ärztin in Deutschland gilt. Ihr Name ist aus einer christlichen Inschrift in Gondorf an der Mosel überliefert. Eine mögliche Datierung der Grabinschrift der Sarmanna ist die Mitte des 5. Jahrhunderts. Diese Einschätzung wird auf der Grundlage epigraphischer Studien von vergleichbaren Inschriften aus der zweiten Hälfte des 4. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts vorgenommen.

Was die wenigen Worte alles verraten
Bemerkenswert sind einzelne Formulierungen der Grabinschrift. Während eine Fürsprache wie bonae memoria „in guter Erinnerung" oder quiescenti in pace „Ruhen in Frieden" übliche Formeln frühchristlicher Grabinschriften sind, ist martiribus sociata „den Märtyrern beigesellt" dagegen seltener anzutreffen. Es ist unklar, ob Sarmanna selbst eine Märtyrerin war oder ob martiribus sociata hier eine Gemeinschaft mit den Märtyrern bedeutet.
In den römischen Grabinschriften wird häufig die Aufnahme der Seele durch Gott und durch Heilige thematisiert. Eine Inschrift aus Lyon (4./5. Jahrhundert) vermittelt die „Hoffnung" einer adligen Frau namens Procula, von den Toten zu den Märtyrern zu gelangen. In Rom werden die heiligen Marcelinus und Petrus in den Inschriften unmittelbar aufgefordert, sich der Verstorbenen anzunehmen.
Diese und andere vergleichbare Inschriften können jedenfalls unterschiedliche inhaltliche Formulierungen haben. Einige Inschriften fallen dadurch auf, dass der Bezug der Verstorbenen zu den Märtyrern räumlich gemeint sein könnte. Seit dem 4. Jahrhundert war die so genannte Bestattung ad sanctos, „bei den Heiligen", ein wichtiger Vorgang. Ein Beispiel dafür ist eine Grabinschrift für ein im Jahr 556 verstorbenes sechsjähriges Mädchen namens Paula. Ihre Eltern formulierten die Inschrift für ihre einzige Tochter mit dem Hinweis, dass sie angesichts der Lage des Grabes in der Nähe des Heiligen Felix von Nola direkt an dessen Seite ruht.

In den aktuellen Diskussionen über die Grabinschrift der Sarmanna stellt sich die Frage, ob ihr Bezug zu den Märtyrern räumlich oder spirituell gemeint ist. Aufgrund mangelnder Überlieferung ist sowohl die Existenz von Märtyrern in Regensburg als auch das Vorkommen ihrer Reliquien unbekannt. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht. Vergleichbare Inschriften mit der Formulierung „den Märtyrern beigesellt" gelten meist Personen, die aufgrund ihrer Verdienste in enger Gemeinschaft mit Heiligen verehrt werden. Darunter dominieren meist kirchliche Beamte.

Sicher ist, dass Sarmanna eine Frau gewesen sein musste, die verehrt wurde. Es ist auch möglich, dass sie zur kirchlichen Elite gehörte. Das wiederum würde bedeuten, dass zur Zeit der Erstellung der Grabinschrift in Regensburg eine christliche Gemeinde existierte.

Literaturverzeichnis
C. Later, Neues zum Christentum im frühmittelalterlichen Baiern? Bemerkungen zu Quellenlage und Forschungsstand, in: M. Chytráček/H. Gruber u. a. (Hrsg.), Archäologische Arbeitsgemeinschaft Ostbayern / West- und Südböhmen / Oberösterreich, 21 Treffen, 22. bis 25. Juni 2011 (Rahden/Westf.2012) 169-188
C.Schulze, Medizin und Christentum in Spätantike und frühem Mittelalter: Christliche Ärzte und ihr Wirken, Studien und Texte zu Antike 27 (Tübingen 2005)
G. Waldherr, Spuren des antiken Christentums in Regensburg, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg vol. 132 (1992) 7-25
J. Dresken-Weiland, Sichtbare Zeugnisse des Christentums in Regensburg: Eine Frau, Missionare und Reliquien, in: K. Unterburger/K. Hausberger (Hrsg.), Domspatzen, Bischofshof und Heiligengräber: Zwei jahrhtausende Christentum in Regensburg (Regensburg 2014) 43-58
S. Codreanu-Windauer, Der frühe Kirchenbau in Altbayern, in: Lumír Poláček – Jana Maříková-Kubková (Hrsg.), Frühmittelalterliche Kirchen als archäologische und historische Quelle, Internationale Tagungen in Mikulčice VIII (Brno 2010) 205–218