Kalk wird im wahrsten Sinne des Wortes seit Urzeiten als Bau- und Werkstoff genutzt und ist bis heute von vielen Baustellen nicht wegzudenken. Die ältesten Nachweise stammen aus der mesopotamischen Stadt Ur, wo bei archäologischen Ausgrabungen eine Kalkbrennanlage aus der Zeit um 2400 v.Chr. freigelegt wurde. Doch Kalk diente nicht nur als Bestandteil von Mörtel.

Die Kalkverarbeitung
Beim Kalkbrennen werden Kalksteine auf mindestens 900°C erhitzt. Dabei entweicht Kohlenstoffdioxid und aus dem ursprünglichen Calciumcarbonat wird Calciumoxid, auch Brant- oder Ätzkalk genannt. Wie der Name schon verrät, ist dieser Ätzkalk stark basisch und sehr reaktionsfreudig. Bei Kontakt mit Wasser wird eine hitzeentwickelnde Reaktion ausgelöst, welche zu Verbrennungen und Verätzungen führen kann. Da Ätzkalk auch sehr hygroskopisch ist, muss er gut verschlossen aufbewahrt werden, um eine unkontrollierte Reaktion zu vermeiden. Gibt man jedoch kontrolliert Wasser hinzu, sumpft der Kalk ein und wird wieder ungefährlich. Dieser Sumpf- oder Löschkalk kann nun auf die verschiedensten Weisen verwendet werden. Der feuchte Sumpfkalk trocknet an der Luft, wird hart und ist chemisch gesehen wieder das ursprüngliche Calciumcarbonat, welches sich in Kalksteinen findet. Der getrocknete Sumpfkalk könnte nun wieder gebrannt und anschließend gelöscht werden. Daher spricht man vom Kalkkreislauf.

Chemischer Kalkkreislauf (https://hoffmeister.it/index.php/chemiebuch-anorganik/178-freies-lehrbuch-anorganische-chemie-kapitel-12-redoxreaktionen-der-grosstechnischen-und-industriellen-chemie)

Vielseitige Nutzung
Die bekannteste Form der Kalknutzung ist wohl Mörtel, der zum Bau von Steingebäuden gebraucht wurde. Archäologisch ist diese Form am besten nachzuweisen. So finden sich neben Großbaustellen oft Grubenbefunde mit einer Kalkschicht am Boden und an den Wänden. Diese Gruben wurden als Sumpf- und Lagergruben für den Kalk benutzt und am Ende der Bautätigkeiten einfach zugeschüttet. Beispiele für solche Gruben finden sich in Lindelach bei Gerolzhofen und am Antoniuskloster in Forchheim. Sumpfkalk wird außerdem als weiße Tünche auf Wände gestrichen. Er dient auf einer Außenwand als Wetterschutz und wirkt außerdem keimtötend. Daher werden noch heute Tierställe wegen der desinfizierenden Wirkung gekalkt. Im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen wurde im Bereich einer alten Gerberei eine Grube mit Kalkrändern gefunden. Die Gerber nutzten früher eine Lauge aus Sumpfkalk und Asche, um Tierhäute zu enthaaren und haltbar zu machen. Die Verwendung von Ätzkalk findet sich bei den historischen Seifensiedern. Sie nutzten den gefährlichen Ätzkalk, sowie Soda und Fette, um daraus Seifen herzustellen.

Wer sich mit der historischen Kalkverarbeitung nicht nur in der trockenen Theorie beschäftigen möchte, kann dies auch hautnah miterleben. Im Geschichtspark Bärnau-Tachov bietet sich regelmäßig die Möglichkeit den HandwerkerInnen beim Kalkbrennen über die Schulter zu schauen. Mehrmals im Jahr wird dort der Ofen angeheizt, um Kalkmörtel für die historische Baustelle der Reisestation Karls IV. herzustellen. Weitere Informationen und Termine finden sich auf der Website des Geschichtspark Bärnau-Tachov.
Befeuern des Kalkbrennofens (Geschichtspark Bärnau-Tachov)
Entnahme des Sumpfkalks aus der Lagergrube (Geschichtspark Bärnau-Tachov)

Literatur
H. Ast, Die Kalkbrenner am Ostrand der Alpen. Beitrage zur Volkskunde, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niederosterreichs. Niederosterreichische Volkskde. Bd. 9 (Augsburg 1977).
C. Lasota/J. Piekalski, Der Bauplatz der romanischen Benediktinerabtei in Wrocław – Ołbin (Breslau Elbing). Zeitschr. Arch. Mittelalters 18/19, 1990/91, 117-134.
E. Michl, Der Kapellberg bei Gerolzhofen – Archaologische Spurensuche in einem vergessen Bodendenkmal. Frankenland 62, 2010, 291-301.
K.-U. Uschmann, Kalkbrennofen der Eisen- und romischen Kaiserzeit zwischen Weser und Weichsel. Befunde – Analysen – Experimente. Berliner Arch. Forsch. Bd. 3 (Rahden/Westf. 2006).