Der folgende Artikel beschäftigt sich mit einem Thema, das für viele Leserinnen und Leser sicherlich nicht das angenehmste ist: Verstorbene Säuglinge. Aus archäologischer Sicht jedoch haben die Ergebnisse einer Ausgrabung von Kindergräbern an der Pfarrkirche St. Martin in Eggolsheim (Landkreis Forchheim, Oberfranken) interessante Erkenntnisse ans Licht gebracht.
Bereits in einem früheren Beitrag zu den Sanierungsarbeiten im Umfeld von St. Martin in Eggolsheim wurde von der Entdeckung einer bisher unbekannten Bauphase in der Geschichte der Kirche berichtet. Das Archäologenteam der Grabungsfirma IN TERRA VERITAS hat in diesem Zusammenhang nicht nur Teile der Gemäuer eines Vorgängerbaus gefunden, sondern ist dabei auch auf viele Bestattungen von Säuglingen gestoßen, die aus der Zeit zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und 1634 stammen.

Ungetaufte Kinder kamen in die Vorhölle und damit auch nicht auf den Friedhof
"Es mag heute befremdlich erscheinen, dass man früh verstorbene Kinder bei ihrer Bestattung nicht besser behandelte als Aussätzige, doch galten beim Tod von Kleinkindern schon in der Antike besondere Vorschriften (...). Die Altersgrenze, die man für die Sonderbehandlung von verstorbenen Kindern zog, war durch den ersten Zahn bestimmt. In christlichen Zeiten wurde dieses körperliche Merkmal durch den Akt der Taufe ersetzt."1
Kinder, die vor der Taufe verstorben waren, konnten nach christlich-katholischem Glauben niemals das Paradies erlangen. Die Seelen dieser Säuglinge, die ohne eigenes Verschulden vom ewigen Leben im Himmel ausgeschlossen waren, gelangten demnach nur in den limbus puerorum, der sogenannten Vorhölle. Nach dem Rationale divinorum officiorum des Bischof Durandus von Mende (verstorben 1296), mussten sie deshalb außerhalb des Friedhofs bestattet werden.

Eggolsheimer widersetzten sich der Kirche
Diese kirchliche Anweisung wurde jedoch nicht überall stringent eingehalten. Teilweise wurden eigene Bereiche nördlich der Kirche für diese Bestattungen vorgehalten oder man setzte die Kleinkinder in der Nähe der Friedhofsmauer oder auf der Grenze des Friedhofs bei. Eine weitere häufig angewandte Variante war die Beerdigung in der Nähe der Kirchenmauern unterhalb der Dachtraufe. Der Gedanke dahinter war, dass das vom Kirchendach auf die Gräber tropfende Regenwasser – das Traufwasser – die toten Kinder gewissermaßen nachträglich taufte. Daher werden diese auch Traufkinder genannt.2
Im konkreten Fall der Pfarrkirche St. Martin in Eggolsheim konnte bei der Ausgrabung eine Zone festgestellt werden, die unmittelbar vor dem ehemaligen Chor im Osten der Kirche lag und somit in der Nähe des Altars. In mehreren kleinen und sich schneidenden Gruben waren dutzende Säuglinge und Kleinstkinder bestattet worden. Bei diesen waren allerdings keine Beigaben wie Totenkronen, Rosenkränze oder Kreuze vorhanden. Vielmehr scheint es, als ob diese Traufkinder ohne größeren Aufwand an einem zwar prominenten Platz, dafür aber ohne Särge oder Grabausstattungen beerdigt wurden.

Für viele mag diese Regelung aus heutiger Sicht fragwürdig erscheinen. Gerade deshalb sei hier noch ein interessanter Fakt erwähnt: Für die deutschen Diözesen wurde es erst 1972 erlaubt, ungetauft verstorbene Kinder regulär auf dem Friedhof beizusetzen.

1) Reiner Sörries: Ruhe sanft - Kulturgeschichte des Friedhofs, S.94f
2) Weitere Informationen zu Traufkindern: Petra Lindenhofer: "Traufkinder" – Ein besonderer Umgang mit ungetauft verstorbenen Kindern in der Frühen Neuzeit

Bei diesen Gebeinen handelt es sich um ein Frühchen, das etwa im Alter von 30-34 Wochen verstorben ist.
Säugling, der im Alter von 4 Monaten (+/- 2 Monate) verstorben ist.
Archäologische Ausgrabung an der Pfarrkirche St. Martin in Eggolsheim, Landkreis Forchheim, Oberfranken