Ein kleines Rätsel der Archäologie: Mysteriöse Tonwannen

Es handelt sich um Objekte, die in weiten Teilen Bayerns und auch im Ausland bei archäologischen Ausgrabungen häufig gefunden werden. Wir wissen, wie alt sie sind, wie sie hergestellt wurden und auch von wem. Doch was wir nicht wissen ist: Wozu?

Im gesamten westslawischen Bereich – in Bayern in den heutigen Regierungsbezirken Unter-, Mittel-, Oberfranken und der Oberpfalz, finden sich bei Ausgrabungen immer wieder Bruchstücke von sogenannten Tonwannen. Diese Fragmente werden fälschlicherweise oft für Brocken von Lehmbewurf abgebrannter Häuser oder Überreste von Öfen gehalten. Sie gehören jedoch einer eigenständigen Gruppe keramischer Erzeugnisse an.

Was wir zu den Objekten wissen
Solche Tonwannen finden sich ab dem 8. bis in das späte 10. Jahrhundert in Nordostbayern. Offenbar wurden sie von den slawischen Bewohnern hergestellt und genutzt, wie sich auch anhand vergleichbarer Funde östlich und nordöstlich von Bayern erkennen lässt. Die Wannen sind meist sehr grob gearbeitet und mit Kies, Strohhäckseln, teilweise mit Ästen und Blättern gemagert. Anhand der Funde in Franken und in der Oberpfalz lassen sich die Objekte zu runden bis ovalen Scheiben mit etwa 50-80cm Durchmesser und einer umlaufenden dicken Wandung von ca. 5-15cm Höhe rekonstruieren. Im tschechischen und slowakischen Fundgut kommen diese Größen zwar auch vor, jedoch sind hier auch rechteckige und quadratische Formen mit Kantenlängen bis zu 1,2m bekannt.

Profil (oben), Ansicht (mitte) und Detailfoto (unten) eines Lehmwannenfragments der Wüstung Dobrotin in der Gemeinde Serkendorf, Lkr. Lichtenfels, Oberfranken
Zwei Ecken einer Tonwanne aus der Grabung in Mikulcice.

Auch die Herstellung ist bekannt
Der tschechische Archäologe Jaroslav Škojec konnte anhand von Spuren an den gefundenen Fragmenten die Herstellungstechnik der Wannen rekonstruieren. So fand er heraus, dass für das spätere Brennen der Tonwannen zuerst eine flache Grube ausgehoben wurde, die etwas größer war als das spätere Objekt. Auf der Grubensohle wurde ein Rost aus Steinen und Brennholz errichtet. Auf diesem Rost wurden Äste parallel zueinander aufgelegt, die eine Ebene bildeten auf der später die Wanne aufgebaut wurde. Auf diese Ebene wurde dann eine dicke Schicht aus Stroh und Gras gelegt, um Unebenheiten auszugleichen und Lücken in der Arbeitsplattform zu schließen. Auf dieses Grasbett wurde dann der mit Ästen und anderem organischen Material versetzte Lehm aufgebracht und die Wanne durch einfaches Andrücken und Modellieren herausgeformt.

Anschließend musste das Objekt eine ganze Weile trocknen – schließlich ist die Wandung relativ dick – um beim anschließenden Brennvorgang nicht zu bersten. Das Brennen selbst erfolgte dann durch ein weiteres Aufschlichten von Brennholz auf und um das Objekt und anschließendem Abbrennen des „Scheiterhaufens". (Škojec 2003, S.430)

Erkenntnisse zum Nutzungsort
Darüber hinaus konnte Škojec beobachten, dass einige dieser Wannen direkt an ihrem späteren Einsatzort hergestellt wurden. Wohl auch, weil ein Transport dieser schweren und trotz des Brennens noch zerbrechlichen Objekte zu umständlich geworden wäre. Andererseits wurden aber auch Wannen (selbst große) offenbar an einem anderen Ort produziert und anschließend zum Einsatzort getragen. (Škojec 2003, S.434)

In der Analyse der Fundumstände kristallisiert sich heraus, dass ein Großteil der Objekte im Inneren von Wohnhäusern oder überdachten, flachen Gruben benutzt wurde. Andere fanden sich auf der Sohle von Vorratsgruben mit Getreide. In der bedeutenden Burg des Mährerreichs in Mikulčice finden sich diese Tonwannen fast ausschließlich in unmittelbarer Nähe der inneren Burg und damit im Lebensbereich der Eliten vor Ort.

Lage einer großen quadratischen Tonwanne in der Ecke eines Hauses in Mikulčice, CZ

Bis heute ein Rätsel
Im nordbayerischen Raum verschwanden die mysteriösen Tonwannen im Verlauf des 10. und 11. Jahrhunderts mit der Übernahme westlich-fränkischer Traditionen und Techniken. Im slawischen Bereich wurden sie offenbar noch bis in das 13. Jahrhundert verwendet.
Trotz aller geschilderten Erkenntnisse und guten Fundlage, ist die eigentliche Funktion dieser Wannen bis heute völlig unklar.

Handelt es sich um Unterlagen für Getreidemühlen?

Werden sie zum Darren von Obst benutzt?

Wird in Ihnen Malz zum Bierbrauen hergestellt?

Sind es vielleicht einfach nur Futtertröge?

Dienen sie zur Aufbereitung von Getreide nach der Ernte oder zur Teigzubereitung beim Brotbacken?

Sind sie tragbare Feuerstellen?

Oder gibt es eine ganz andere Erklärung, wie und wofür sie genutzt wurden?

Literatur:
Škojec 2003:J. Škojec, Lehmwannenfunde ausMikulčice, in: L. Poláček (/Hrsg.)Studien zum Burgwall von Mikulčice, Bd. V, S.421-495.
Losert 1993: H. Losert, Die früh- bis hochmittelalterliche Keramik in Oberfranken, in: Janssen et al (Hrsg.), Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 8, Köln 1993.