Schadenzauber und Fluchtafeln – Abergläubische Rituale der Römer auch in Bayern

"Verflucht und gebannt mögen sein, die mir die Treue gebrochen haben, die es mit Hinterlist getan haben: Flavus, Donatus, Florus. Die Nichtswürdigen, die Elenden, die Nichtse, die Gebannten, die Verfluchten, die Übeltäter."

Bleitafel mit Fluch gegen Flavus, Donatus und Florus mit einer Länge von 5,5cm und einer Breite von 5cm (Naad Archäologische Staatssammlung München, https://bavarikon.de/object/bav:ASM-OBJ-0000000D20181797, CC BY-NC-ND 4.0)
Der offenbar recht erzürnte Verfasser dieses Fluches lebte im 2. oder 3. Jahrhundert im Dorf rund um das römische Kastell Abusina bei Eining im Landkreis Kelheim. Bei der Recherche für ein Projekt sind die ArchäologInnen von IN TERRA VERITAS über dieses und weitere Fluchtäfelchen gestolpert. Dieser Beifang hat zwar für das eigentliche Projekt nicht geholfen, aber die Geschichte hinter den Fluchtäfelchen ist es trotzdem wert, geteilt zu werden.
Fluchtafeln finden sich im Mittelmeerraum bereits im 1. Jahrtausend v. Chr., mit den Römern kommen sie im 1. Jahrhundert n. Chr. über die Alpen ins heutige Bayern. Die Objekte bestehen meist aus dünnem Bleiblech und wurden mit einem Nagel oder einem Griffel bearbeitet. Die darauf festgehaltenen Texte sind meist Flüche und sollten der genannten Person Schaden zufügen. Dabei gab es keine festgelegten Formeln oder Zaubersprüche, lediglich einige Grundmuster lassen sich erkennen. Oft wird eine bestimmte Gottheit oder ein Dämon angerufen und als "Herr" oder "Herrin" bezeichnet. Der eigentliche Schaden sollte also im Auftrag des Autors oder der Autorin durch eine Gottheit oder ein Wesen der Unterwelt vollzogen werden. Die Nennung eines "Auftragnehmers" war aber offensichtlich nicht zwangsläufig nötig, wie der oben zitierte Text zeigt.
"wer, wer, wer auch immer [...] dass du, Herrin, von dem Gauner [...] sie sollen gelangen, und wer mein [...] gestohlen hat, und ich bitte, Herrin [...], Maße: 9cm Breite x 3,5cm Höhe, Ende 1. Jahrhundert (https://bavarikon.de/object/bav:ASM-OBJ-0000000D20181800, CC BY-NC-ND 4.0)

Die Texte können in Klartext geschrieben sein, wie das erste Beispiel zeigt. Manche sind aber auch "verschlüsselt", wie zum Beispiel mit Wortdoppelungen, lateinischem Text in griechischen Buchstaben, Spiegelschrift oder rückwärts geschrieben. Diese Verschlüsselungen sollten wohl die magische Wirkung erhöhen oder zur geistigen Verwirrung des Verfluchten beitragen. Die Autoren der Texte selbst, also die „Auftraggeber" nennen sich für gewöhnlich nicht, wohl um zu verhindern, dass sie selbst versehentlich vom Fluch getroffen werden. Die beschriebenen Tafeln wurden in der Nähe eines Tempels, in einem Grab oder an einem anderen heiligen Ort vergraben, so dass die Botschaft auch bei der zuständigen Gottheit ankommen konnte.

Neben den hier beschriebenen Varianten finden sich noch hunderte weitere. Fluchtafeln wurden im gesamten Römischen Reich verwendet. Erst im Verlauf des 4. Jahrhunderts wurden sie im Zuge der voranschreitenden Christianisierung immer seltener benutzt. Mit dem Ende des Römischen Reichs stirbt diese Art des Aberglaubens weitgehend aus.

Literatur:
K. Brodersen, A. Kropp, Fluchtafeln. Neue Funde und neue Deutungen zum antiken Schadenzauber. In: Archiv für Religionsgeschichte, Bd. 9.1, 2007, S.407-420.
A. Kropp, Magische Sprachverwendung in vulgärlateinischen Fluchtafeln (defixiones). Tübingen, 2008.

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