Entdeckung einer bisher unbekannten mittelalterlichen Textilwerkstatt in Oberfranken
Ungewöhnlich gut erhalten
Die Produktion von Leinen erfordert viele arbeitsaufwendige Schritte, die sich aber nur schwer im Boden erhalten und daher archäologisch selten fassbar sind. Umso mehr haben sich die SpezialistInnen von IN TERRA VERITAS gefreut, als bei einer Grabung im Landkreis Forchheim unterhalb einer Kellertreppe eine große Grube zum Vorschein kam, deren ursprüngliche Funktion relativ schnell erkennbar war. Die ursprünglich wohl quadratische Grube war an den Rändern mit schlanken Pfosten versteift, um einen Einsturz zu verhindern. In der Verfüllung fanden sich stark vergangene Reste von Pflanzenfasern, sowie mehrere fast vollständig intakte Tontöpfe aus dem frühen 14. Jahrhundert, die ebenfalls pflanzliche Fasern und Samen beinhalteten. Sie wurden zur weiteren Untersuchung ins Labor des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Schloss Seehof gebracht. Mit der Analyse des Fundmaterials und durch Vergleiche konnte relativ schnell darauf geschlossen werden, dass es sich bei der Grube um eine "Rottgrube" handeln muss.
Leinengewinnung war kompliziert
Für die Herstellung von Leinen ist es wichtig, dass der hölzerne Teil der Pflanze von den Faserbündeln getrennt wird. Dies kann entweder durch eine Taurottung geschehen oder eben durch die Verwendung einer Rottgrube.
Im Correspondenzblatt des königlich Württembergischen landwirtschaftlichen Vereins, Bd. 21 von 1832, S. 258 wird der Vorgang so beschrieben: "...steckt man den Flachs, in schenkeldicke Büscheln gebunden, frisch und meistens ungeriffelt (mit den Samen) in die sogenannte Rottgrube, welche 25-30 Fuß (ca7-8m) im Durchmesser und wenigstens eine Tiefe von 4 Fuß (ca. 1,15m) hat. Man legt nämlich zuerst eine Reihe Büscheln am Ufer oder an der Seite der Grube, die Spitzen nach unten gekehrt, schräg und so tief in das Wasser, dass die Wurzelenden einen halben Fuß lang aus dem selben hervorstehen. An diese erste Reihe kommen nun die 2te, 3te, 4te u.s.f. (immer die Spitzen nach unten und die Wurzeln nach oben gekehrt) schräg zu liegen, bis zuletzt der ganze Erndte-Ertrag mit seinen Wurzelenden einen halben Fuß über dem Wasser eine waagrechte Fläche bildet.
Diese Fläche wird nun entweder mit belaubten starken Zweigen von Buchen-, Ellern-, Haselnußholz (...) oder Stroh bedeckt (...) darauf halb Fuß dicke Rasenstücke, die Grasnarbe nach unten gekehrt, gelegt, bis sie die Flachsbündel mit ihrer Decke unter dem Wasserspiegel schwimmend erhalten.
Drei Tage lang kann man die Rottgrube unbesucht lassen, dann aber erfordert sie genaue Aufmerksamkeit, um den Zeitpunkt richtig zu beurtheilen, wenn der Lein aus dem Wasser zu ziehen ist, denn er kann in 4-5 Nächten dazu geeignet seyn, wenn die Witterung warm und das Wasser weich war; wenn jedoch der Flachs nur einige Stunden zu lang im Wasser bleibt, so wird er dergestalt mürbe, daß bei seiner Bearbeitung Alles in das Werg fällt [minderwertige Qualität erzeugt wird, Anm. d. Verf.]."
Übrigens:
In Zukunft wird die Wartezeit auf solche Analysen bei IN TERRA VERITAS deutlich kürzer sein! Kurz nach Abschluss der hier vorgestellten Grabung hat eine Archäobotanikerin ihre Stelle angetreten!
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