Pracht und Schönheit spielten bei den Römern schon immer eine wichtige Rolle im täglichen Leben. Betrachtet man nur die bunten Malereien und Mosaike, mit denen die Villen der wohlhabenden Römer geschmückt waren oder die detailgetreuen Skulpturen. Zu den Waren des täglichen Lebens, die in großem Umfang hergestellt und verwendet wurden, gehörte die sogenannte Terra Sigillata. Es handelt sich dabei um eine Kategorie des römischen Tafelgeschirrs aus Keramik, die von der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. im gesamten Römischen Reich produziert wurde. Charakteristisch für Terra Sigillata ist eine rot glänzende Oberfläche.

Terra Sigillata (Lat: mit kleinen Figuren verzierte Erde) ist eine moderne Bezeichnung, die erst im 18. Jahrhundert geprägt wurde. Wie die Römer selbst dieses Tafelgeschirr nannten ist unbekannt. Eine Möglichkeit könnte vasa Samia sein, ein Begriff, den Plinius der Ältere (verstorben 79 n.Chr.) erwähnte. Das ist aber nicht eindeutig. Dennoch wird an diesen Ausdruck angelehnt, die Terra Sigillata im englischen Sprachraum meist als Samian Ware bezeichnet.

Herstellung und Verbreitungsgebiete
Es wird zwischen glatter und reliefverzierter Terra Sigillata unterschieden. Die Reliefs auf der Bauchzone sind sehr unterschiedlich, lassen sich aber im Wesentlichen den jeweiligen Töpfern und Werkstätten zuordnen. Während bei der reliefverzierten Keramik kleine Fragmente ausreichen, um sie möglichst genau zu identifizieren, ist die glatte Terra Sigillata viel komplizierter zu bestimmen. Es sei denn, auf dem Gefäßboden findet sich ein Stempel mit der Signatur des Töpfers.

Beispiele der reliefverzierten Schüsseln (Drag 37), im Saalburgmuseum, Bad Homburg (Haselburg-müller, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Saalburgmuseum_Bilderschuesseln.jpg)
Beispiel eines Tellers oder flacher Schüssel (Drag 18/31), Fundort: Römische Villa Haselburg (Haselburg-müller, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Dragendorff_18_31_Haselburg.jpg)
Die Herstellung von reliefverzierter Keramik begann in Italien in den Werkstätten von Azzuro (Toskana), gelangte nach Oberitalien und dann nach Süd-, Mittel- und Ostgallien. Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. begann die Herstellung von Terra Sigillata im germanischen Rheinzabern. Wegen der großen Beliebtheit wurden weitere Werkstätten in Westerndorf und Pfaffenhofen gegründet. Gleichzeitig erfolgte die Herstellung auch im östlichen Mittelmeerraum bzw. im westlichen Kleinasien sowie in Syrien. Die letzte Phase der Entwicklung war die sogenannte afrikanische Red-Slip-Ware, die im 1. bis 2. Jahrhundert n. Chr. in bestimmten Formen italienische und gallische Einflüsse zeigte. Die Werkstätten dafür befanden sich in den römischen Provinzen Africa proconsularis, Numidien und Byzacena, die im heutigen Tunesien und im östlichen Teil Algeriens liegen. Etwa ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. wurden in einigen anderen Regionen, u. a. in Kleinasien, im östlichen Mittelmeerraum und in Ägypten, sachkundige Nachbildungen der Werkstätten und der Formen geschaffen.

Datierung
Für die Datierung ist Terra Sigillata eine sehr wichtige Gattung. Ihr Alter lässt sich anhand der Form, der Verzierung und der Stempel der Töpfer gut bestimmen, da in bestimmten Zeitepochen wechselnde Moden erkennbar waren. Die Hauptformen der Terra Sigillata, die auch heute noch zur Datierung verwendet werden, sind erstmals 1896 von Hans Dragendorff in einem Typenkatalog der wichtigsten Terra-Sigillata-Gefäßformen aufgelistet worden.

Römisches Terra Sigillata in der Oberpfalz
Mehr als 500 Jahre lang gehörte ein großer Teil des heutigen Bayerns zum Römischen Reich und war Teil der Provinz Raetia. Das um 80 n. Chr. erbaute römische Kastell Kumpfmühl (der antike Name ist heute unbekannt) ging in den Markomannenkriegen zwischen 171 und 175 n. Chr. unter. Die Ruinen befinden sich südlich des Regensburger Stadtzentrums im heutigen Stadtteil Kumpfmühl-Ziegetsdorf-Neuprüll. Die ursprüngliche Anlage wurde zunächst als Holz-Erde-Bau errichtet und später mit zwei Steinbauphasen ausgebaut. Die Überreste des Kastells wurden 1924 bei Ausgrabungen des Landesamtes für Denkmalpflege entdeckt. Weitere Grabungskampagnen fanden bis in die 1990er Jahre statt.

Neben dieser Militäranlage wurden auch Reste einer zivilen Ansiedlung (Vicus) auf einer Fläche von etwa 20 Hektar entdeckt. Dort wurden in einem Erdkeller mit Brandschutt drei erhaltene Exemplare von Terra Sigillata ans Tageslicht gebracht:

  1. Eine reliefierte Schüssel, die trotz der Brandschäden vollständig erhalten war. Sie stammt aus der Werkstatt von Rheinzabern (Siehe Auflistung Dragendorff Nr. 37).
  2. Eine Schale mit Barbotinedekor, die Brandspuren und Verfärbungen aufweist. Der Barbotinedekor war bei den in Süd- und Mittelgallien hergestellten Terra Sigillata sehr verbreitet (Siehe Auflistung Dragendorff Nr. 35-36).
  3. Ein Teller oder flache Schüssel (Siehe Auflistung Dragendorff Nr. 18/31) mit Brandspuren und Verfärbungen auf der Oberfläche.

Alle drei Exemplare stammen aus der Zeit zwischen Ende des 1. Jahrhunderts und spätestens 160 n. Chr.

Dragendorff, 1895, Taf. II
Eine Schale mit Barbotinedekor (Drag 36), 2. Jahrhundert n. Chr., Vor- und Frühgeschichtliche Sammlung im Wallenfels'schen Haus in Gießen (Marcus Cyron, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Terra_sigillata-Teller_in_Gie%C3%9Fen_1.jpg)

Literaturverzeichnis
H. Dragendorff, Terra sigillata: ein Beitrag zur Geschichte der griechischen und römischen Keramik, Bonner Jahrbücher 96/97 (Bonn 1895).
T. Fischer
, Ein Keller mit Brandschutt aus der Zeit der Markomannenkriege (170/175 n. Chr.) aus dem Lagerdorf des Kastells Regensburg-Kumpfmühl, in: BerBayDenkmPfl 24/25 1983/84.
K. Domżalski
, Terra Sigillata, Red Slip and Glazed Wares from Jiyeh (Porphyreon) and Chhim in Lebanon. Similarities and differences in supplying coastal and Mountain Customers, in: Archeologia 64, 2013, 23-51.
E.M. Ruprechtsberger,
Zum Typenschatz des Terra-Sigillata-Töpfers Januarius (II) von Rheinzabern, in: Oberösterreichischer Musealverein-Gesellschaft für Landeskunde