Im Steigerwald nahe des Marktes Ebrach erstreckt sich der Ebracher Forst. Ein geschlossener Wald, durch den sich zahlreiche Forstwege ziehen. Mittendrin befindet sich ein Forsthaus und zwei Waldarbeiterhäuschen aus der Zeit um 1800. Für den noch heute laufenden Forstbetrieb wird dort derzeit eine Breitbandleitung verlegt, was von Archäologen von IN TERRA VERITAS wissenschaftlich begleitet wird.
Normalerweise würde man davon ausgehen, dass ein so kleiner Bodeneingriff, wie eine Leitungsverlegung mitten im Wald und weit von den nächsten Ortschaften entfernt für die Archäologie keine besondere Relevanz hat. Doch genau an dieser Stelle im Forst sieht es anders aus, denn im Boden schlummern die unangetasteten Überreste eines vor über 150 Jahren wüst gefallenen Dorfes. Ein mehr oder weniger intaktes archäologisches Archiv aus dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit ohne moderne Störungen.

Die Geschichte einer Wüstung
Das Dörfchen Schmerb, so wird die Wüstung heute noch genannt, wird erstmals 1317 erwähnt. Es gehörte damals dem Bistum Würzburg, welches das Vogteirecht an die Zollner von Sugenheim als Lehen gaben. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Besitz der Ortschaft vielfach übergeben, verkauft und getauscht. Schlußendlich erwarb das Kloster Ebrach zwischen 1418 und 1667 das gesamte Dorf "mit allen Zugehörigen, Leuten rundt gnetern". Mit der Säkularisation 1803 ging dann der Besitz auf das Königreich Bayern über. Zum damaligen Zeitpunkt wies das Dorf zwölf Häuser, eine Brauerei und eine Schankwirtschaft auf.

In den 1860er Jahren kaufte Bayern alle Ländereien und Anwesen der Bewohner Schmerbs auf. Diese siedelten meist nach Ebrach über, andere verließen die Region ganz. Die verlassenen Häuser wurden – bis auf die drei noch heute stehenden Forstgebäude – abgerissen und die Äcker mit Fichten und Buchen bepflanzt.

Eines von noch drei existierenden Häusern des ehemaligen Dorfes Schmerb im Ebracher Forst
Urkatasteraufnahme aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Über 30 Häuser, darunter 17 Wohnhäuser. Rosa hinterlegt: die noch stehenden Gebäude
Archäologen sichern für die Nachwelt
Die Wüstung Schmerb ist heute ein bekanntes Bodendenkmal und ein archäologisches Archiv eines abgeschiedenen Dorfes im Steigerwald, was bereits bei der Planung des Breitbandausbaus berücksichtigt wurde. Sicherheitshalber wurde die Leitungstrasse so gelegt, dass sie möglichst nur durch Bereiche führt, die bereits durch Bauarbeiten der 1930er und 90er gestört sind, um die noch intakten Überreste vor weiteren modernen Störungen zu bewahren. Doch an einigen Stellen ließ sich das Schneiden des Bodendenkmals nicht verhindern. Daher muss nun ein Archäologenteam auch während der Baumaßnahme vor Ort sein, um die noch erhaltenen Überreste vor der Zerstörung durch die Baumaßnahmen zu dokumentieren.

Schmerb hatte nie große strategische oder wirtschaftliche Bedeutung. Anhand der Flurnamen kann man erkennen, dass hier Pech und Holzkohle für das nahe gelegene Kloster Ebrach hergestellt wurde. Mit großen Schätzen ist hier also nicht zu rechnen. Genau deshalb aber ist die Bewahrung des Bodendenkmals so wichtig, denn nur sehr selten erhält sich eine solche ländliche Ortschaft, wie sie es zu hunderten gab, so vollständig im Boden.
Ehemalige Hauptstraße des Dorfes, Blick Richtung Dorfplatz
Leitungsgraben mit geologischen und modernem Bodenaufbau