Überall zu hören, selten zu sehen

In vielen Dörfern und Städten sind sie akustisch allgegenwärtig, doch zu Gesicht bekommt man sie eher selten: Kirchenglocken. Sie rufen die Gläubigen zum Gottesdienst, läuten zu verschiedenen kirchlichen Anlässen und verraten uns regelmäßig die Uhrzeit. Grund genug, die Geschichte dieser bronzenen Schwergewichte etwas näher zu betrachten.
Kleine Glocken und Glöckchen waren seit jeher ein wichtiges Instrument im Christentum. Die frühen Christen im Vorderen Orient sahen im Läuten eines Glöckchens die Ankündigung der göttlichen Botschaft. Vermutlich brachten ägyptische Kopten im 5. Jahrhundert die ersten Glocken über das Kloster der südfranzösischen Insel Lerin nach Europa. Von dort ausgesandte Missionare nutzten Handglocken zur Verkündung der christlichen Botschaft. Papst Sabinian erließ in seiner Amtszeit von 604 bis 606 n.Chr. die Verordnung, dass Glocken auch außerhalb von Klöstern die Gläubigen zum Gebet rufen sollen.

Kirchenglocken wurden in der Regel aus Bronze (Kupfer-/ Zinnlegierung) gegossen und bis in die Neuzeit mit Hilfe des Wachsauschmelzverfahrens hergestellt. Dabei wurde zunächst eine Grube ausgehoben und darin der innere Kern der Glocke aufgemauert und mit Lehm verputzt, also das Negativ der künftigen Innenseite der Glocke. Auf diesen Kern wurde dann aus Wachs die Form der Glocke aufgetragen und anschließend mit Lehm verputzt. Anschließend wurde unter dem inneren Glockenkern ein Feuer entzündet, wodurch der Lehm aushärtete und sich gleichzeitig das Wachs verflüssigte und aus der Form laufen konnte. Sobald der Lehm komplett ausgehärtet war, wurde die Grube zugeschüttet, um entsprechenden Gegendruck für das dann einlaufende flüssige Metall zu erzeugen. Die geschmolzene Bronze schnell und präzise in die Form einzuleiten war der schwierigste Arbeitsgang, da die Glocke keine Fehlstellen, Löcher oder Risse bekommen durfte.
Nachdem die Bronze abgekühlt war, wurde der äußerer Lehmmantel abgeschlagen und die Glocke konnte von ihrem gemauerten Kern abgehoben werden.

Glocken wurden – und werden auch heute noch immer – in einem Stück inklusive ihrer Aufhängung, der sogenannten Krone, gegossen. Durch Form und Größe ist der Klang einer Glocke bereits vor dem Guss festgelegt und kann danach nur noch leicht beeinflusst werden. Gegossen wurde in unmittelbarer Nähe des Bestimmungsortes, da es leichter war die Rohstoffe zu transportieren als die fertigen tonnenschwere Glocken.

Zwei Schmuckstücke im Bamberger Dom
Viele der alten historischen Kirchenglocken existieren heute leider nicht mehr. Sie wurden aufgrund des Rohstoffmangels in den Kriegszeiten im 20. Jahrhundert für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen. Doch im Bamberger Dom haben zwei ganz besondere Exemplare überlebt. Die Kunigundenglocke aus dem späten 12./ frühen 13. Jahrhundert und die Heinrichsglocke aus dem Jahr 1311.
Die Kunigundenglocke besitzt die älteste Glockenform – die sogenannte Bienenkorbform – und stellt mit 3450kg die größte überhaupt erhaltene Glocke dieser Form dar. Ihr Klang kann noch heute jeden Donnerstagabend zum Angelusläuten bewundert werden. Die etwas jüngere Heinrichsglocke hat bereits die typische gotische Form mit einem weiter ausgezogenen Rand und ist mit einem stolzen Gewicht von 5200kg die Größte im Bamberger Dom. Vor der Elektrifizierung des Geläuts hat es 6 bis 8 Personen gebraucht, um nur diese eine Glocke zum Läuten zu bringen.
Heute ertönt die gewaltige Heinrichsglocke jeden Freitag um 15 Uhr zur Todesstunde Jesu und zusammen mit der Kunigundenglocke an hohen Feiertagen.

Kunigundenglocke im Bamberger Dom, 12./13. Jahrhundert (Bienenkorbform) (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kunigunde.JPG; Unteroktav; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)

Weiterführende Links
https://www.glocken-online.de/
https://www.wamsiedler.de/

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