Pilgerabzeichen: Menschen im Mittelalter haben weite Reisen auf sich genommen

Im christlichen Europa des Mittelalters waren Pilgerfahrten weit verbreitet. Als Erinnerungsstücke und Talismane für Schutz und Segen brachten die WallfahrerInnen sogenannte Pilgerabzeichen mit zurück nach Hause. Heute tauchen diese bei archäologischen Ausgrabungen immer mal wieder auf und bieten der Wissenschaft eine interessante Quelle, anhand derer beispielsweise die Mobilität der Menschen nachvollzogen werden kann.

Das bekannteste Pilgerabzeichen ist die Jakobsmuschel der Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela, die ab dem 11. Jahrhundert nachgewiesen werden kann. Abzeichen in Form von Flachgüssen aus Zinn oder Bleilegierungen werden seit dem 12. Jahrhundert hergestellt.
Die ersten Pilgerabzeichen mit dem Bildnis des/der jeweiligen Heiligen wurden zunächst nur an Orten ausgegeben, die einen Ablass gewährten. Das waren die frühen Wallfahrtsorte wie Jerusalem, Rom oder Santiago. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts sind etwa 60 Orte bekannt. Durch den rapiden ansteigenden Ablasshandel entstanden bis zum frühen 16. Jahrhundert 200 weitere Orte, an denen solche Abzeichen produziert wurden. Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit hatte nahezu jede Wallfahrtskirche eigene Pilgerabzeichen.
Den schriftlichen Aufzeichnungen zufolge wurden teilweise immense Mengen an den leicht herzustellenden Abzeichen ausgegeben. Man kann von einem regelrechten bildlichen Massenmedium im abendländischen Europa sprechen. Beispielsweise wurden von 1519 bis 1524 in der Kapelle der Schönen Maria in Regensburg 50.000 bleierne und 18.000 silberne Pilgerabzeichen verkauft.

Pilgerabzeichen Schöne Maria, um 1520, Regensburg (Mögele, 1994, S. 558f, Abb. 1903; abrufbar unter: https://www.pilgerzeichen.de/item/59bc8673-a59a-4693-8b1c-3d7f027ee1ed)
Die Motivationen für eine Pilgerfahrt im Mittelalter waren unterschiedlich. Bereits im frühen Christentum zogen Menschen aus, um den Wohnort oder das Grab eines/einer Heiligen zu besuchen. Beliebte Wallfahrtsorte waren anfangs das Grab Jesu oder der Apostel, sowie ihre Wirkungsstätten. Beim Pilgern stand nicht allein die fromme Verehrung im Vordergrund. Oftmals bestand der Wunsch nach Heilung einer Krankheit, die nur durch ein Gebet am Grab eines/einer wundertätigen Heiligen möglich war. Ab dem 13. Jahrhundert wurden zudem auch Bußwallfahrten als Sühne für eine Straftat gebräuchlich.

So mobil waren Menschen im Mittelalter
Die Abzeichen gelangten mit den erfolgreichen Pilgern zurück in deren Heimatorte. So lassen sich heute bei entsprechenden archäologischen Funden die zurückgelegten Strecken im Einzelnen nachvollziehen und es lässt sich auch der Einflusskreis eines Wallfahrtsorts bestimmen. Berühmte Kirchen wie Santiago de Compostela zogen Pilger aus ganz Europa an. So wurde zum Beispiel das Abzeichen einer Jakobsmuschel aus dem 13. Jahrhundert in Breslau gefunden. Ein Beleg für eine Fernwallfahrt mit einer einfachen Entfernung von 3200 Kilometern.
Aber auch der fränkische Wallfahrtsort Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein wurde im Mittelalter von Pilgern aus unterschiedlichen Regionen besucht. Entsprechende Abzeichen wurden sowohl im Raum Kassel als auch in der Nähe von Leipzig gefunden. Die Wallfahrer mussten hier immerhin bis zu 200 Kilometer zurücklegen.

Pilgerabzeichen des Wallfahrtsortes Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein, auf dem die 14 Nothelfer dargestellt sind. Um 1497 entstanden. Gefunden in Dissen bei Kassel. (abrufbar unter: https://www.pilgerzeichen.de/item/94526989-8639-4fab-9137-ac33dae65307)

Quellen/Literatur:
Pilgerzeichendatenbank: www.pilgerzeichen.de
Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters. Würzburg 2003.
Mögele, Manfred, Wallfahrtsmedaillen des Bistums Regensburg, 1994, Regensburg, S. 558f. mit Abb. 1903