Ruhrgebiet des Mittelalters: Eisengewinnung in der Oberpfalz

In der Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit war die heutige Oberpfalz, besonders der Raum Amberg-Sulzbach, ein Bergbaugebiet von mitteleuropäischer Bedeutung. Die Geschichte der Eisengewinnung und -verarbeitung in Amberg geht auf rund 2700 Jahre zurück. Belege dafür sind Verhüttungsspuren an Steinen, die offenbar ursprünglich als Verschlüsse für Mundlöcher der keltischen Rennfeueröfen dienten. In der frühen Hallstattzeit wurden diese Steine zum Bau eines Grabhügels im Bereich des ehemaligen Bürgerspitals am Spitalgraben verwendet.

Es gibt keine schriftlichen Zeugnisse aus dem Raum Amberg-Sulzbach, die über die Anfänge von Bergbau, Verhüttung oder Eisenproduktion berichten. Indirekte Hinweise auf den bergmännischen Betrieb in Amberg ergeben sich jedoch aus der ersten Erwähnung der Stadt in einer Urkunde Kaiser Konrads II. an den Bamberger Bischof Eberhard I. aus dem Jahr 1034. So könnten einige der hier erwähnten königlichen Rechte, wie beispielsweise der Betrieb von Wassermühlen oder ein Passierzoll für Schiffe, sich auf den Abbau von Eisenerzen sowie deren Weiterverarbeitung vor Ort bezogen haben.
Eine unmittelbare Schriftquelle zu Bergbau und Eisenerzeugung in Amberg findet sich erst in einem Urbar der bayerischen Herzöge aus dem Jahr 1285. Hier wird ein Erzzehnt des Herzogs erwähnt, der sich auf eine Abgabe für Eisenerze bezog. Dieser stand dem lokalen bayerisch-herzoglichen Richter zu.

Amberger Spitalgraben, Ausgrabungen 2017: Große Konzentrationen von Verhüttungsschlacken, Ofenschlacken sowie Fragmenten von Tondüsen aus der Rennfeuer-Verhüttung des 10. bis 12. Jahrhunderts (Hensch 2018, S. 50, Abb. 40).
Älteste Erwähnung Ambergs in einer Urkunde Kaiser Konrads II. an den Bamberger Bischof Eberhard I. aus dem Jahr 1034 (Hensch 2018, S. 47, Abb. 36).

Oberpfälzer Hammereinungen
Amberg erhielt 1310 von Kaiser Ludwig dem Bayern das Privileg zur Nutzung der umliegenden Wälder für die Holzkohleproduktion, was mit der Eisenerzverhüttung und Eisenverarbeitung zusammenhängt. Holzkohle war ein wichtiger Rohstoff für die Eisenerzeugung sowie für die Weiterverarbeitung des Materials in der Schmiede. Um die Verhüttung und den Eisenhandel sowie Fragen und Probleme des Bergbaus zwischen Amberg und Sulzbach zu regeln, wurden im 14. Jahrhundert die sogenannten Hammereinungen gegründet. Bereits die erste bekannte Hammereinung von 1341 und die Große Hammereinung von 1387 zwischen Amberg und Sulzbach sowie Nürnberger Eisenproduzenten weisen eine konsolidierte Bergbauwirtschaft und dauerhafte wirtschaftliche Interessen Amberger Bürger nach. Die Einung betraf im Wesentlichen alle Hammerwerke in der Oberpfalz und einige Hämmer im Nürnberger Raum, die auf Erze aus der Oberpfalz angewiesen waren.

Hammerwerke
In den Wittelsbacher Herzogsurbaren aus dem 13. und 14. Jahrhundert tauchen zahlreiche technische Begriffe mit Bezug zur Eisenverhüttung auf. Solche Begriffe sind z.B. malleus (Hammer), fabricae pedales (Fußwerke), ignes (Schmelzfeuer); man benötigt saeten, was im Bamberger Rechtsbuch von 1348 als plaustrum carbonum ductum ad malleumerklärt wird, d.h. eine Wagenladung mit Kohle, die zum Hammer gebracht wird. Die Zeitgenossen bezeichneten mit Hammerwerk, Hammer, Eisenhammer usw. grundsätzlich zwei Typen von Verhüttungsbetrieben: Eisenerzeugende Anlagen, wie Schien- und Stabhämmer und eisenverarbeitende Anlagen, wie Blech-, Draht-, Zain-, Reck-, Raffinier- und Kugelhämmer, aber auch Zeug-, und Waffenhämmer. Diese beiden Typen von Hammerwerken konnten parallel in einem Betrieb eingesetzt werden. Ohne Feuer kam kein Hammerwerk aus. Es wurde vor allem benötigt, um Eisen aus den Erzen zu schmelzen. So benötigte man Wälder, um große Mengen Holzkohle zu produzieren und war gleichzeitig räumlich von der Wasserkraft abhängig.

Zu einem Hammerwerk gehörte ein Hammerherr, der in der Regel wichtiger örtlicher Amtsträger war, wie z. B. Bürgermeister oder Ratsmitglied. Zum Betrieb eines Hammers wurde in der Regel ein Hammermeister oder Aufseher angestellt, der die Arbeitsvorgänge regelte. Als nächste wichtige Person folgte der Zerenner, auch Zerennmeister genannt. Die Qualität sowie Quantität des gewonnenen Eisens standen in direktem Zusammenhang mit seinen handwerklichen Fähigkeiten und der Genauigkeit seiner Arbeit. Weitere Angestellte waren der Hauer oder Kohlzieher, Kohlmesser und Eisenhammer.

Niedergang des Oberpfälzer Bergbaus
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich der Bergbau in den Revieren um Amberg-Sulzbach weiter. Ab der Mitte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann jedoch der Rückgang des Bergbaus in der Oberpfalz, zunächst in Sulzbach und anschließend auch in Amberg. Mehrere Faktoren haben zum Niedergang des Systems "Hammereinung" geführt. Zum einen hielt die Einung an strengen Vorschriften fest, wie den bereits veralteten Technologien oder den starren Anforderungen an die Eisengewinnung in den Schienenhämmern, während in anderen mitteleuropäischen Eisenregionen im 16. Jahrhundert die Verhüttung in Holzkohlehochöfen viel günstiger war. Zum anderen konnte auch die Gründung der Amberger Zinnblechhandelsgesellschaft im Jahr 1533 ein indirekter Grund für die Auflösung der Einung gewesen sein. Die Vertragsverlängerungen wurden in der Regel alle zehn Jahre vereinbart. Nach dem letzten Vertrag von 1616 blieben sie jedoch ergebnislos, so dass die Tätigkeit der Hammereinung 1626 mit dem Ablauf des Vertrages endete. In der Folge brachte der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 die Bergbautätigkeit in der Oberpfalz nahezu zum Stillstand. Erst im 19. Jahrhundert wurde das Montanwesens mit der Industrialisierung nachhaltig wiederbelebt.


Literatur
A. Fuchs, Die Entwicklung der ostbayerischen Eisenverhüttung von Mittelalter bis zum 30jährigen Krieg, in: Bergbau- u. Industriemuseum Ostbayern (Hrsg.), Die Oberpfalz, ein europäisches Eisenzentrum. 600 Jahre große Hammereinung, Schriftenreihe des Bergbau- und Industriemuseums Ostbayern 12/1 (Theuern 1987) 103-124.
M. Hensch, Bemerkungen zur mittelalterlichen Montanlandschaft zwischen Premberg, Schmidmühlen und Amberg, in: Beiträge zur Archäologie in der Oberpfalz und in Regensburg 13, 2020, 351-394.
M. Hensch, Erz-Feuer-Eisen: Eine kleine Geschichte des frühen Montanwesens in der mittleren Oberpfalz (Berlin 2018)
R. Sprandel, Die Bedeutung der Oberpfalz für die Eisenerzeugung des Mittelalters, in: Bergbau- u. Industriemuseum Ostbayern (Hrsg.), Die Oberpfalz, ein europäisches Eisenzentrum. 600 Jahre große Hammereinung, Schriftenreihe des Bergbau- und Industriemuseums Ostbayern 12/1 (Theuern 1987) 125-132.

Links
H. Wolf/J. Laschinger
, Hammereinungen, publiziert am 7.11.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL:
<http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hammereinungen> (05.07.2023)

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