Vergessene Handarbeiten aus der Vergangenheit: Brettchenweben (Teil 3)

Archäologische Funde von Kleidungsresten oder Werkzeugen zur Textilienherstellung geben nicht nur Auskunft darüber, wie sich die Menschen damals gekleidet hatten. Interessant ist dabei auch, mit welchen Handarbeitstechniken die Kleidung hergestellt wurde, die heute fast völlig vergessen sind. Im dritten Teil geht es um das Brettchenweben.
Das sogenannte Brettchenweben ist eine Webtechnik, um hauptsächlich Gürtel oder Bänder herzustellen. Diese Bänder konnten auf andere Textilien als Dekore oder Verstärkungen aufgenäht werden. Sie dienten auch als Webkanten für das Weben von Stoffen. Der Vorteil des Brettchenwebens ist, dass es viele verschiedene Webarten gibt, womit sich komplizierte Muster und sogar Figuren und Schriftzüge darstellen lassen.

Die Grundwerkzeuge beim Brettchenweben sind kleine quadratische Brettchen mit vier Löchern. Durch jedes dieser Löcher wird ein Kettfaden gezogen und an beiden Enden festgebunden. Die Dicke der Fäden und die Anzahl der Brettchen bestimmt hierbei die Breite des Bandes.

Sind alle Fäden aufgezogen beginnt der Webvorgang mit dem Öffnen eines Fachs. Dabei liegen je zwei Fäden eines Brettchens oben und zwei unten. Durch dieses Fach wird der Schussfaden mit Hilfe eines Webschiffchens gelegt. Anschließend werden alle Brettchen um eine Vierteldrehung gedreht und es ergibt sich ein neues Fach. Es wird wieder der Schussfaden eingelegt und die Brettchen werden erneut um eine Vierteldrehung bewegt.

Die Webbrettchen (Lauxen 2015, S. 21)

Es war viel Kreativität möglich
Wird zum Beispiel pro Brettchen eine andere Farbe gewählt, also je vier Fäden in der gleichen Farbe, entsteht ein längsgestreiftes Band. Wählt man dagegen vier verschiedene Farben auf jedem Brettchen, erhält man ein quergestreiftes Band, sofern sich die verschiedenen Farben auf den anderen Brettchen an den gleichen Positionen befinden. Sich wiederholende Muster, wie Wellen oder aneinanderhängende Rauten erhält man dadurch, dass die Brettchen eine bestimmte Anzahl nach vorne und um die gleiche Anzahl in die entgegengesetzte Richtung gedreht werden. Eine Abwandlung hierzu bildet die Zweilochtechnik. Wie der Name es schon verrät, werden nur zwei der vier Löcher mit einem Faden bezogen. Diese Technik findet sich im keltischen Kontext in Hallstatt und Hochdorf, sowie im Frühmittelalter im Grab der Bathilde aus Chelles.

Es lassen sich aber auch besonders aufwändige Muster archäologisch nachweisen, die in Köper-, Flottier oder Broschiertechnik gewebt wurden.
Bei der Köpertechnik wird mit zwei Farben gearbeitet, jedoch muss jedes Brettchen individuell gedreht werden, damit sich das gewünschte Muster zeigt. Das erfordert deutlich mehr Aufmerksamkeit und Denkleistung des Webers.Archäologische Funde von Bändern in Köpertechnik finden sich in unter anderem in Hallstatt und Mammen.
Beim Broschieren wird mit dem normalen Schussfaden gewebt und ein zusätzlicher Broschierfaden wird als Musterfaden über die Kettfäden gelegt, wo er sichtbar sein soll und ansonsten durch das Fach mit dem Schussfaden gelegt. Viele der archäologischen Funde mit Gold- oder Silberfäden wurden broschiert.
Lässt man den Kettfaden an der Oberfläche als Musterfaden liegen, anstatt ihn bei der nächsten Brettchendrehung einzuweben, spricht man von Flottieren.

Rekonstruktionen verschiedener Köpermuster (Lauxen 2015, S. 34)
Rekonstruktionen verschiedener Flottiermuster (Lauxen 2015, S. 37)
Rekonstruktionen verschiedener Zweilochmuster (Lauxen 2015, S. 39)

Literatur
L. Lauxen, Brettchenweben. Material- Anleitung- Techniken- Webbriefe (Norderstedt, 2015)

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