Vergessene Handarbeiten aus der Vergangenheit: Sprang (Teil 2)

Archäologische Funde von Kleidungsresten oder Werkzeugen zur Textilienherstellung geben nicht nur Auskunft darüber, wie sich die Menschen damals gekleidet hatten. Interessant ist dabei auch, mit welchen Handarbeitstechniken die Kleidung hergestellt wurde, die heute fast völlig vergessen sind. Im zweiten Teil geht es um die Webtechnik Sprang.

Archäologische Nachweise für Sprang sind selten, da es sich oft um feine Garne handelt, die im Boden schnell zersetzt werden. Einer der ältesten Funde stellt ein Haarnetz aus einem Grabhügel in Borum Eshøj/ Dänemark dar. Das Netz gehört zu einer weiblichen Bestattung um 1400 v. Chr. Es scheinen sich auch Überreste eines Sprang-Rahmens in einem frühmittelalterlichen Frauengrab auf dem Gräberfeld von Neudingen erhalten zu haben.

Mit der Webtechnik Sprang hergestelltes Haarnetz aus Borum Eshøj (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DO-643-H%C3%A5rnet_fra_Borum_Esh%C3%B8j.jpg; Lennart Larsen; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en

Sprang ist eine Webtechnik, bei der man keinen Schussfaden benutzt, sondern lediglich die Kettfäden miteinander flechtet. Es wird auch Ägyptischen Weben oder Weben ohne Schuss genannt. Die Kettfäden sind beim Weben die aufgespannten Fäden, durch die man mit dem Schussfaden – mit Hilfe des Webschiffchens – webt. Bei der Sprangtechnik werden die Kettfäden um zwei horizontal gespannte Haltefäden oder Holzstäbe gewickelt. Die Entfernung dieser Haltefäden bestimmt die Länge des fertigen Textilstücks. Anschließend werden die Kettfäden sortiert, sodass ein Fach zwischen obenliegenden und untenliegenden Fäden entsteht. Als nächstes überkreuzt man nebeneinander liegende Fäden, sodass nun andere Fäden oben bzw. unten liegen. Dies wird nun immer wieder wiederholt und kann je nach Reihenfolge der Überkreuzungen zu unterschiedlichen Mustern führen. Auf diese Weise entsteht an beiden Enden eine symmetrische Gitterstruktur. Die Kettfäden werden so lange miteinander geflochten, bis sich das Muster in der Mitte trifft. Nun muss ein Faden eingelegt und fixiert werden, damit sich das Muster erhält und die Überkreuzungen der Kettfäden sich nicht wieder auflösen, sobald man die Kettfäden loslässt.
Aus Sprang lassen sich hervorragend feine Haarnetze oder kleine Taschen und Beutel fertigen. Aber auch Gürtel, Schals oder Legging-artige Hosen können damit hergestellt werden.

Farbliche Rekonstruktion des Bogenschützen aus dem Tempel der Aphaia von der Insel Ägina um 480 v. Chr.. Bei Arm- und Beinkleidung könnte es sich um die Abbildung von Spranggewebe handeln (G. dallorto; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Istanbul_-_Museo_archeologico_-_Mostra_sul_colore_nell%27antichit%C3%A0_08_-_Foto_G._Dall%27Orto_28-5-2006.jpg)

Literatur
K. Kania, Kleidung im Mittelalter. Materialien- Konstruktion- Nähtechnik. Ein Handbuch. (Köln, Weimar, Wien 2010)
https://www.altes-handwerk.ch/zwirntechniken/sprang/

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