Waldglas: Ein Luxusgut des Mittelalters

Die Herstellung von Glas hat eine lange Tradition und die Vielfalt der Farben und Formen ist faszinierend. In Mesopotamien, im alten Ägypten und im Römischen Reich waren Glasprodukte ein Luxusgut und die Herstellungstechniken wurden stets weiterentwickelt. Nach dem Ende des Weströmischen Reiches bildete in Nordeuropa das Recycling von römischem Glas über mehrere Jahrhunderte den Hauptteil der lokalen Industrie, wobei die eigentliche Glasherstellung zurückging. Erst als sich das Karolinger Reich ab 800 n. Chr. in Nordwesteuropa ausbreitete, stieg auch wieder die Nachfrage nach Glas. Für eine bessere Produktqualität wurde mit neuen Rohstoffen und Herstellungstechnologien experimentiert.

Als Waldglas wird das überwiegend grün gefärbte Pottascheglas bezeichnet. Es wurde in Nordwest- und Mitteleuropa etwa vom 11. bis zum 17. Jahrhundert unter hauptsächlicher Verwendung von Holzasche und Quarzsand hergestellt. Der Begriff Waldglas bezieht sich einerseits auf die grüne Farbe. Mithilfe von eisenhaltigem Sand (Quarzsand) wird es beim Schmelzen bei etwa 800-900 °C erst blau und dann bei über 1000 °C grün. Andererseits lässt sich dieser Begriff auch dadurch erklären, dass für die Herstellung des Waldglases Holz benötigt wurde, weshalb die Glashütten direkt im Wald gebaut wurden.

Schriftquellen
Aus dem Mittelalter liegen einige historische Berichte über die europäische Glasherstellung vor.

  • Theophilus Presbyter (12. Jahrhundert), ein Benediktinermönch sowie Verfasser einer lateinischen Schrift über unterschiedliche Kunsthandwerkstechniken gab in seinem Werk „De diversis artibus" oder „Schedula diversarium artium" detaillierte Rezepte und Anleitungen zur Glasherstellung an.
  • Der deutsche Gelehrte und Wissenschaftler Georgius Agricola (1494 bis 1555)
  • bekannt als der "Vater der Mineralogie" – schrieb um 1530 über die Glasherstellung seiner Zeit.
  • Ein weiterer Bericht über die Glasherstellung geht auf den deutschen Alchemisten und Glasmacher Johannes Kunkel (um 1630 – 1703) zurück. Er machte in seinem Werk "Ars Vitraria Experimentalis, oder Vollkommene  Glasmacherkunst" aus dem Jahr 1679 auf die Glasherstellung aufmerksam: „In Hollstein und Mecklenburg wird fast nichts als Asche und gar wenig Sand zum Glas gebraucht. ...Die nun die Asche von den Salzsiedern, als aus Lüneburg und dergleichen Arten haben können, die thun wohl wann sie solche gebrauchen, denn sie ist sehr von Salz und kann mehr Sand als alle anderen Aschen vertragen." (Kunkel, S. 38


Weitere wichtige Hinweise liefern archäologische Funde sowie empirische Rekonstruktionen.

Die Glasformen
Der Nuppenbecher wurde hauptsächlich als Trinkgefäß verwendet und besonders im 13. und 14. Jahrhundert hergestellt.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Nuppenbecher#/media/Datei:OHM_-_Nuppenbecher.jpg; Wolfgang Sauber; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)
Typische Produkte der Waldglashütten sind runde Glasscheiben, sogenannte Butzenscheiben. Sie tauchen erst im 14. Jahrhundert auf und wurden meist zur Verglasung von Fenstern verwendet.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Butzenscheibe#/media/Datei:Torun_witraz_piast_5_01.jpg; Pko; https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en)
Krautstrunk entwickelte sich im 15. und 16. Jahrhundert als Trinkgefäß und gilt als Vorläufer des sogenannten Römers.
Berkemeyer ist eine Trinkglasform nordeuropäischer Herstellung, die im 16. und 17. Jahrhundert im Alltag verwendet wurde. Sie gilt ebenfalls als Vorläufer des Römers.
Als Römer bezeichnet man eine Form von Trinkgefäßen, die sich im 16. Jahrhundert entwickelte. Der Name ist vermutlich von vitrum Romarium "Römisches Glas" abgeleitet.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Waldglas#/media/Datei:Roemer_Waldglas.jpg; Ulrich Mayring; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)
Maigelein sieht optisch anders aus als die oben genannten Trinkgefäßformen. Es handelt sich hauptsächlich um eine niedrige Schale, die in der Regel eine Verzierung in Form von Rippen, Kreuzrippen und anderen geometrischen Mustern aufweist. Sie war im 15. und 16. Jahrhundert in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich weit verbreitet.
Eine ungewöhnliche Form stellt der Angster oder Kuttrolf dar. Diese flaschenförmigen Gefäße wurden in einer Saug-Blas-Technik hergestellt. Die Herstellungstechnik solcher Flaschen ist in Köln bereits im 3./4. Jahrhundert bekannt. In Deutschland wird der Angster erstmals im Epos Willehalm von Wolfram von Eschenbach aus dem Jahr 1220 als „gutteral" für Wein erwähnt. Dieses Trinkgefäß wird auch als Scherzgefäß bezeichnet und diente hauptsächlich der Unterhaltung.
(https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Angsters#/media/File:Angster.jpg; RoswithaC; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en)

Gib deinen Text hier ein ...

Hüttengebäuden und Glasschmelzöfen
Die Herstellung von Waldglas benötigte enorme Holzressourcen, weshalb die Glashütten idealerweise direkt in Waldgebieten errichtet wurden. Zur aufwendigen Bewirtschaftung konnten mehr als zehn Familien zusammen in einer Anlage leben. Aufgrund der Saisongebundenheit waren die meisten Gebäude nicht besonders groß. Zentral gelegen war das Hüttengebäude, in welchem der Schmelzofen zusammen mit dem Kühlofen stand. Nach den Bildquellen handelte es sich meistens um dreistöckige Rundöfen. Diese nahezu eiförmigen Bauwerke mit einem Durchmesser von etwa 3 m und einer Höhe von bis zu 3 m verfügten im unteren Stock über einen Befeuerungsraum mit einer oder zwei halbkreisförmigen Öffnungen zum Einlegen von Holz. Auf der nächsten Ebene befand sich der Hafenofen, der durch die Flammen aus dem Befeuerungsraum über eine Öffnung erhitzt wurde. Dieser etwa 1,2 m hohe Raum verfügte umlaufend über 20 × 20 cm große Ofentüren, über die das Material eingelegt und das Glas entfernt werden konnte. Im oberen Stockwerk befand sich der Kühlofen mit einer Temperatur von nur 400 °C. Dieser Raum hatte eine kleine Öffnung, die mit dem Schmelzraum verbunden war.
Betrachtet man jedoch die archäologischen Befunde, so zeigt sich bei den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Glashütten häufig anderes Bild. Es handelt es sich eher um funktional geteilte, liegende Öfen.

Schmelzofen zusammen mit dem Kühlofen (https://en.wikipedia.org/wiki/Forest_glass#/media/File:Agricola-3.png; Public Domain)

Glasmacher waren privilegiert
Am Beispiel der Oberpfalz kann man sehen, welche persönlichen Privilegien die Glasmacher hatten, deren Betrieb für viele Menschen Arbeit und Brot bedeutete. Viele Hüttenmeister waren auch in enger Verbindung mit Adelsfamilien. Peter Weickert, ein Glaser in Frankenreuth um 1580, beschrieb sich selbst "allß ein Armer vom Adl". Sein Grabstein mit 16 Wappen, der heute nicht mehr zu finden ist, stand in der Pfarrkirche von Waidhaus. Eigentlich eher Aspekte, die man Geistlichen, Adeligen und Beamten zuschreiben würde. Hüttenmeister waren außerdem berechtigt, Mahl- und Schneidemühlen zu bauen, Niederwild zu jagen und Häuser für ihr Handwerk zu bauen, die für einen längeren Zeitraum von Steuern befreit waren. Diese und andere Vorteile deuten darauf hin, dass Glasmacher eine gesellschaftlich privilegierte Bevölkerungsgruppe gewesen waren.

Handel der Glaswaren
Zwar nahm die Verwendung von Glas seit dem 13. Jahrhundert allmählich zu, doch blieben Glasprodukte wie verglaste Fenster oder Gebrauchsgegenstände, wie beispielsweise Trinkgefäße, lange eher ein Luxus. Ein Großteil der Glasproduktion ging als Steuer an den Lehnsherren. Wie wertvoll das Material war, zeigt auch der Umgang mit zerbrochenem Glas. Es wurde nicht weggeworfen, sondern von Händlern eingesammelt und anschließend mit Trägern in die Hütten zurückgebracht, um eingeschmolzen zu werden.


Literaturverzeichnis
A. Busl, Waldglashütten in der Oberpfalz, in: Heimatkundlicher Arbeitskreis im Oberpfälzer Waldverein (Hrsg.), Oberpfälzer Heimat. Beiträge zu Heimatkunde der Oberpfalz. Band 43(Weiden 1998)143-155.
E. Brepohl, Theophilus Presbyter und das mittelalterliche Kunsthandwerk. Band 1: Malerei und Glas. Böhlau, Köln u. a. 1999.
Georgius Agricola, Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. Übersetzt von C. Schiffner. VDI-Verlag u. a., Berlin u. a. 1928, S. 500 ff.
H. Junghans/J. Lewerenz u.a., Waldglas in Mecklenburg, Thomas Helms Verlag (Schwerin 2010)
H. Tait, Five Thousand Years of Glass. British Museum Press (London 1991)
Johannes Kunkel, Ars Vitraria Experimentalis, oder, Vollkommene Glasmacher-Kunst (Leipzig 1679)
K.H. Wedepohl, The change in composition of medieval glass types occurring in excavated fragments from Germany, in: Annales du 14e Congres de l'Association Internationale pour l'histoire du Verre 1998 (2000) 253–257.

Links
https://www.waldglasmuseum.de/h%C3%BCttenvertrag-vortrag/

Ähnliche Beiträge