Gehirnoperationen vor 12.000 Jahren

In der modernen Medizin gehören Eingriffe am offenen Gehirn heute oft schon zur Routine. Doch die Vorstellung, dass auch unsere Vorfahren vor langer Zeit dies mit primitiven Methoden durchgeführt hatten, wirkt brachial und gefährlich. Historische Quellen belegen, dass bereits die alten Griechen Schädeltrepanationen an lebenden Menschen durchgeführt hatten. Die Archäologie hingegen kann anhand von Skelettfunden nachweisen, dass diese Art der „medizinischen" Behandlung bereits vor über 12.000 Jahren durchgeführt wurde.

Bei einer sogenannten Trepanation wird der Schädel mechanisch geöffnet, um Eingriffe im Inneren vorzunehmen oder um einen gesteigerten Hirndruck zu senken. Bei Schädeltrepanationen, die in die Vorgeschichte datiert werden können, wird es sich vermutlich weniger um zielgerichtete medizinische Eingriffe gehandelt haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ging es dabei eher um kultische Handlungen, die die vorliegenden Beschwerden in Hinsicht der damaligen Vorstellungswelt zu heilen versuchten.

Drei Wege führten ins Gehirn
Bei der Behandlungsform der Schädeltrepanation, die bereits in der Steinzeit angewendet wurde, haben sich drei Grundformen etabliert.
1. Herausschneiden durch winklig aufeinandertreffende Ritzungslinien
2. Lineares Ausschaben um eine Knocheninsel
3. Flächiges Ausschaben ohne eine stehengelassene Knocheninsel.
Bei der Behandlung wurde das Gehirn mehr oder minder freigelegt. Der Eingriff an einem so empfindlichen Bereich wie dem menschlichen Gehirn, wirkt auf den ersten Blick sehr brachial und gefährlich. Mit Sicherheit wird der ein oder andere „Patient" durch diese Prozedur auch verstorben sein. Dennoch zeigen zahlreiche Skelette, die von Archäologinnen und Archäologen weltweit geborgen werden konnten, dass eine solche Freilegung des Gehirns durchaus überlebt werden konnte. Bei einigen Individuen wurden sogar mehr als nur eine Trepanation nachgewiesen. Das Wissen um entzündungshemmende Pflanzen oder auch anatomische Kenntnisse sind Punkte, die die Überlebensrate relativ hochhielten. So schrieb zum Beispiel Hippokrates (ca. 460 – 370 v. Chr.), das man es vermied eine Schädelnaht zu trepanieren, da hier die Gefahr der Verletzung eines Blutgefäßes zu groß war. Später kam auch die Bohr-Säge-Methode auf. Hier sei auch die sogenannte Triphination genannt, bei der das Loch ausschließlich gebohrt wurde.

Die drei Grundformen der Schädeltrepanation (Herrmann/Grupe/Hummel/Piepenbrink/Schutkowski, Abb. 3.2.5.6)
Verheilte Trepanation (5. – 7. Jahrhundert n. Chr.). (Roberts/Manchester, Abb. 5.27)

Was waren die Gründe dafür
Welche Beschwerden und Krankheiten die Menschen dazu bewog, sich einer solch gefährlichen Prozedur zu unterziehen, lässt sich aus heutiger Sicht nur mutmaßen. Anthropologisch sind keine pathologischen Hinweise auf irgendwelche Probleme am Skelettmaterial zu erkennen, wie dies zum Beispiel bei Verletzungen, wie bei Beinbrüche der Fall ist. Das bedeutet, dass es sich überwiegend um neurologische Erkrankungen, wie Epilepsie, oder psychiatrische Erkrankungen, wie Schizophrenie gehandelt haben wird. Diese sind im Nachhinein natürlich nicht am Knochenmaterial nachweisbar. Später hingegen, zur Zeit des Hippokrates, wurde die Trepanation bereits als medizinische Behandlung bei Schädelverletzungen eingesetzt.


Literatur:
Ch. Roberts, K. Manchester. The Archaeology of Disease. Gloucestershire (2012) 126.
Herrmann/Grupe/Hummel/Piepenbrink/Schutkowski. Prähistorische Anthropologie. Leitfaden der Feld- und Labormethoden. 1990.
https://www.welt.de/welt_print/article801264/Heilsame-Loecher-im-Schaedel.html