Die Traufkinder von Eggolsheim: Neue wissenschaftliche Daten lüften ein bisher ungeklärtes Geheimnis in der Orts- und Kirchengeschichte

Anfang August haben wir bereits über eine archäologische Ausgrabung im Umfeld der Pfarrkirche St. Martin in Eggolsheim (Landkreis Forchheim, Oberfranken) berichtet. Neben der Entdeckung einer unbekannten Bauphase in der Geschichte der Kirche, stieß das Archäologenteam von IN TERRA VERITAS damals auch auf zahlreiche Gräber ungetaufter Säuglinge im Traufbereich des ehemaligen Gotteshauses. Die Geschichte und der Hintergrund dieser sogenannten Traufkinder von Eggolsheim wurden hier im Magazin, sowie in der Presse behandelt (siehe Artikel in: Der Neue Wiesentbote oder auch in DER SPIEGEL). Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat nun eine genauere Datierung der Säuglingsgebeine durch eine C-14-Analyse beauftragt und dankenswerterweise dafür auch die Kosten übernommen. Das Ergebnis hatte alle Beteiligten sehr überrascht.

Ergebnisse der C-14-Datierung: Gräber sind wesentlich älter
Die Archäologen nahmen während der Ausgrabung an, dass die Säuglingsgräber aus der Zeit zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und 1634/1644 stammen müssen. Ganz einfach deshalb, weil die Gräber im Traufbereich des ehemaligen Chors des Vorgängerbaus freigelegt wurden. Diese ursprüngliche Kirche wurde nachweislich 1305 errichtet und erhielt 1634 oder 1644 im Zuge des Wiederaufbaus nach ihrer Zerstörung im 30jährigen Krieg einen Anbau, der über den Säuglingsgräbern errichtet wurde. Die nun vorliegenden Ergebnisse der C-14-Analyse (auch Radiokohlenstoffdatierung genannt) datieren die Gebeine der Kinder allerdings wesentlich älter. Und zwar etwa um das Jahr 1029! Da es auch zu dieser Zeit das Phänomen der Traufkinder gab, ist die neue Erkenntnis über ihr Alter allein nicht von besonderer Bedeutung. Doch in Kombination mit der Lage der Gräber konnte ein ganz anderes Geheimnis gelüftet werden.

Überblick Pfarrkirche St. Martin: Lage des ehemaligen Kirchenbaus von 1305 und des Anbaus von 1634/44, sowie der Fundbereich der Traufkinder

Eine ungeklärte Frage kann nun beantwortet werden – durch indirekten Nachweis
Die Pfarrei Eggolsheim zählte zu den Urkirchen, die bereits bestanden, als 1007 das Erzbistum Bamberg gegründet wurde. Erste urkundliche Hinweise finden sich bereits in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Das heißt, dass es bereits vor dem archäologisch nachweisbaren Kirchenbau von 1305 mindestens ein noch älteres Gotteshaus im Ort gegeben haben muss. Doch wo genau dieses stand, war bislang völlig unklar. Da im Verlauf der Ortsgeschichte auch der Friedhof seine Position änderte, konnte auch die Lage der alten Kirche ganz woanders gewesen sein. Aufgrund der späteren und modernen Überbauung Eggolsheims ist man nicht davon ausgegangen, diese Urkirche lokalisieren zu können. Doch nun gibt es die Gräber der Traufkinder an dieser Stelle und ihre C-14-Datierung ins Jahr 1029. Daraus lässt sich indirekt ableiten, dass ein noch älterer Kirchenbau an genau dieser Stelle gestanden haben muss. Zumindest ab dem 11. Jahrhundert. Die exakte Position lässt sich dadurch nicht rekonstruieren, allerdings lässt sich mit Sicherheit sagen, dass der Kirchenbau eine Ost-West-Ausrichtung gehabt haben muss und sich die Außenmauern im Bereich dieser Säuglingsgräber befunden haben müssen.

So konnten die Gebeine der kleinen Kinder fast 1000 Jahre nach ihrem Tod den Archäologen heute helfen, eine bisher ungeklärte Frage zu beantworten.

Exkurs: Die C-14-Analyse

Bei der C-14-Analyse, oder auch Radiokohlenstoffdatierung bzw. Radiokarbonmethode kann das Alter von organischen Materialen sehr genau bestimmt werden. Bei C14 handelt es sich um ein leicht radioaktives Isotop, das durch eine Reaktion zwischen Erdatmosphäre und kosmischer Strahlung entsteht. Auch wenn die Konzentration von C14 auf der Erde sehr gering ist, so wird es dennoch von allen Lebewesen, ob Pflanzen, Tieren oder Menschen in einer messbaren Menge aufgenommen. Stirbt ein Lebewesen, so wird die Aufnahme von C14 gestoppt und es beginnt der radioaktive Zerfall des Isotops in den organischen Überresten, wie zum Beispiel menschlichen Knochen. Über die Halbwertszeit kann so relativ genau der Zeitpunkt zurückgerechnet werden, wann der Stoffwechsel des Lebewesens aussetzte, wann es also gestorben ist.

Die Gebeine eines Traufkindes (Säugling, der im Alter von 4 Monaten (+/- 2 Monate) verstorben ist)
Sondageschnitt vor der Pfarrkirche St. Martin in Eggolsheim