Tabakkonsum! Ein gut datierbares Laster für die Archäologie
In Europa setzte sich Tabak als Genussmittel ab dem Ende des 16. Jahrhunderts, spätestens im Zuge des Dreißigjährigen Krieges, in allen gesellschaftlichen Schichten durch. Davon zeugen viele Schriftquellen die sich mit Tabakanbau (1590 Nürnberg), der Beschreibung des Rauchens (1601 Nürnberg), den Beschwerden über das Passivrauchen (1652 Traunstein) sowie Gerichtsverfahren zu Bränden, die durch Tabakkonsum entstanden (1644 Dachau) befassen.
Geraucht wurde damals mit Tonpfeifen. Eines der bekanntesten Produktionszentren war ab kurz nach 1600 das niederländische Gouda. Die Stadt entwickelte sich zum europäischen Zentrum der Pfeifenproduktion für die nächsten 200 Jahre. Erste Pfeifenbäcker in Deutschland lassen sich für die 1630er Jahre in Mainz und Wesel nachweisen. Im 18. Jahrhundert wurde der Westerwald das deutsche Tonpfeifen-Zentrum.
Diese Pfeifen waren Massenartikel, die aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit eine nur sehr kleine Lebensdauer zwischen Produktion und Entsorgung hatten. Daher kommen sie heute bei archäologischen Ausgrabungen auch immer wieder zu Tage.
Stetige Veränderung
Die Dekore der Tonpfeifen unterlagen schnell wechselnden modischen Veränderungen. Die Köpfe wurden aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit und sinkenden Preise des Tabaks immer größer. Viele Tonpfeifen sind mit Marken versehen, welche bestimmten Herstellern und Produktionsorten zugewiesen werden können
Typ 1: ca. 1605 – 1695, kleiner doppelkonischer Kopf mit flacher Ferse, plump wirkende Stiele
Typ 2: ca. 1695 – 1740, trichterförmiger Kopf häufig mit Ferse, plump wirkende Stiele
Typ 3: ca. 1735 – 1840, immer größer werdender ovaler Kopf mit Ferse, schlanke Stiele
Typ 4 (Krummköpfe): ca. 1740 – 1840, stärker aufgestellte Köpfe mit Ferse
Typ 5 (Rundbodenpfeife): ca. 1750 – Ende 19. Jahrhundert.
Die Herstellermarken befinden sich auf der Unterseite der Ferse oder auf dem Kopf und dort auf der Seite, die dem Raucher zugewandt ist. Sie bestehen zumeist aus bildlichen Darstellungen, Buchstaben, Zahlen oder aus deren Kombinationen. In Gouda wurde die Produktion durch eine Zunft streng kontrolliert. Alle Marken wurden erfasst und können den jeweiligen Herstellern zugewiesen werden. Oftmals wurden die Marken von mehreren Herstellern verwendet, jedoch nie im selben Zeitraum. Der Name des Herstellers und der Ort sind oftmals auf den Stielen durch Rollstempel eingebracht worden. Doch in den meisten Fällen sind die weggeworfenen Tonpfeifen direkt am Kopf abgebrochen. Somit kommt für eine Datierung von mehrfach genutzten Marken nur die Ausprägung des Kopfes in Frage. Des Weiteren gab es Marken auf der Seite der Ferse. Ein schönes Beispiel ist das Wappen von Gouda, welches 1739 eingeführt wurde, um Qualitätsprodukte aus Gouda von Fälschungen abgrenzen zu können. Zusammengenommen sind Tonpfeifen damit eine dankbare Fundgruppe für die heutige Archäologie, da sie sich äußerst gut für chronologische Untersuchungen eignen.
Ein weiteres, nicht alltägliches Fundgut, stellen Soßenflaschen dar, die im Zusammenhang mit Kautabak verwendet wurden. Es handelt sich dabei um Flaschen aus Steinzeug, die den damals gängigen Mineralwasserflaschen formal gleichen. Der Unterschied besteht lediglich in der viel geringeren Größe.
Kautabak erhielt seinen Geschmack bzw. seine unterschiedlichen Geschmacksrichtungen über Aromatisierung durch Soßen. Sie enthielten verschiedene Zutaten wie Fruchtessenzen, Honig oder diverse Gewürze. Der gesponnene Kautabakstrang wurde in diesen Soßen in einer mehrmonatigen Behandlung mehrmals getränkt und getrocknet. Dieser Vorgang intensivierte den Geschmack und verlängerte auch die Haltbarkeit des Kautabaks. Das fertige Produkt wurde dann an Kolonialwarengeschäfte, Gaststätten und Tabakwarenhändler zum weiteren Vertrieb verschickt. Die Soßen wurden in den Flaschen vom Kautabakproduzenten an die Händler bzw. Gastwirte abgegeben, damit diese den angebotenen Kautabak nachsoßen konnten. Der Kautabak erhielt hierdurch einen ansprechenden Glanz, einen intensiveren Geschmack sowie eine für den Konsumenten angenehme Frische, was für den Verkauf sicherlich sehr förderlich war.
Literatur
N. Mehler, Tonpfeifen in Bayern (ca. 1600-1745). In: S. Brather, U. Müller, H. Steuer (Hrsg:), Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Beiheft 22 (Bonn 2010)
D.H. Duco, De Nederlandse Kleipijp. Handboek voor dateren en determineren (Leiden 1987)
J. van der Meulen, Goudse pijpenmakers en hun merken (Leiden 2003)
E. Blanc, Soßenflaschen aus Steinzeug der Firma Grimm & Triepel (Neulussheim 2018)