Hexenwahn in Bayern
Am Ende des 16. Jahrhunderts begann in Bayern ein vermehrtes Aufkommen von Hexenprozessen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts wuchsen die erst noch vereinzelt vorkommenden Ereignisse zu einem regelrechten Hexenwahn heran. Auch wenn die folgende Auflistung sicherlich nicht vollständig ist, kristallisieren sich vier Ereignisse bzw. Entwicklungen heraus, die zu diesem dunklen Kapitel in der europäischen Geschichte geführt haben und Furcht und Missgunst in der Bevölkerung schürten.
1. Die Menschen waren damals existentiell vom Ackerbau abhängig. Eine schlechte Ernte und der damit verbundene Versorgungsengpass war eine Katastrophe. Die Klimaforschung spricht für die Zeit zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert von einer kleinen Eiszeit. Die Durchschnittstemperatur war um 1,5 Grad kühler und führte über einen längeren Zeitraum zu Missernten und Hungersnöten. Diese fielen zwar regional unterschiedlich aus, doch ihre stärksten Auswirkungen zeigten sich vom Ende des 16. bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. Genau in diesem Zeitraum fand auch die Hochphase des Hexenwahns statt.
2. Zwischen 1618 und 1648 wütete außerdem der 30jährige Krieg mit immer wieder aufflammenden Konflikten.
3. Krieg und Missernten begünstigten außerdem die Ausbreitung von Krankheitserregern und insbesondere der Pest. So ist zum Beispiel für das Kloster Michelfeld in der Oberpfalz von 1627 bis 1634 eine Pestepidemie in den Klosterchroniken verzeichnet. Sie soll so stark gewesen sein, dass man Felder ankaufen musste, um alle Toten bestatten zu können.
4. Der Dominikanermönch Heinrich Kramer verfasste im 15. Jahrhundert den sogenannten Malleus Maleficarum; den Hexenhammer. Durch den Buchdruck fand das Werk eine rasende Verbreitung unter geistlichen und auch weltlichen Herrschern. Es hatte Hexenverfahren sehr vereinfacht, auch wenn es diese schon vor zuvor gab.
Die Hexenverfolgung – kurz zusammengefasst
Verdächtigt konnte jede Person werden, egal welchen Alters und Geschlechts. Zwar stellte der Hexenhammer primär Frauen in den Fokus des Wahns, doch wurden auch Männer und sogar Kinder der Hexerei angeklagt.
Ein Hexenprozess begann mit einer Denunziation, also dem Verdacht, eine Person sei eine Hexe oder Hexer. Ab diesem Zeitpunkt galt der Tatbestand bereits als erwiesen. Es war die allgemeine Auffassung, dass ein Verdächtiger ohne Zweifel schuldig ist und eine Verteidigung als „ehrlos" betrachtet wurde. Im schlimmsten Fall machte man sich allein durch eine Verteidigung der Hexerei oder Buhlschaft mit dem Teufel schuldig. Nach der Beschuldigung und Festnahme kam es dann zur Sichtung durch den Nachrichter/Scharfrichter. Dieser besah die angeklagte Person und suchte dabei das sogenannte Hexenmal. Dabei sollte es sich um eine Verformung am Körper handeln, welche beim Hineinstechen nicht blutete. Damit war der Hexenprozess offiziell eröffnet. Anschließend begann die sogenannte „anständige Befragung". Hier wurde die beschuldigte Person verhört und konnte dabei gestehen und noch weitere Hexen verraten. Das war auch meistens der Fall, da die Opfer hofften, sich so retten zu können. Ob mit oder ohne Geständnis, folgte dann die „peinliche Befragung". Dabei handelte es sich um nichts anderes als Folter. Sollte eine Hexe oder Hexer unter der Folter gestehen, so konnte diese noch weiter fortgeführt werden, um die Namen weiterer Personen im vermeintlichen Bann mit dem Teufel zu erlangen. Eine Schonfrist war dabei nicht vorgesehen. Starb jemand unter Folter, so wurde dies als Flucht vor der gerechten Bestrafung angesehen.
Die Urteilsverkündung und Vollstreckung verliefen öffentlich und es gab nur ein Urteil: den Tod.
Bis 1620 wurde die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen noch bei lebendigem Leib vollzogen, was sich erst durch das Dekret von Johann Gottfried von Aschhausen geändert hat. Es sah vor, dass geständige Hexen und Hexer, welche sich zudem zu Gott bekannten, die Sakramente erhielten und dann durch Schwert, Axt oder Erdrosselung hingerichtet wurden. Erst danach wurde der Leichnam auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Kinder, die wegen Hexerei verurteilt wurden, kamen meist glimpflicher davon. Sie erhielten als Bestrafung Ruthenhiebe und wurden unter die Vormundschaft eines Geistlichen oder einer unverdächtigen Person gestellt. Dennoch wurden zwischen 1625 und 1629 in Franken 26 Kinder wegen Hexerei hingerichtet.
Sicherlich kann der Hexenwahn als sehr finsterer Abschnitt in der Geschichte bezeichnet werden. Trotzdem gab es auch stark unterschiedliche Auffassungen und Vorgehensweisen.
Machte sich das Hochstift Würzburg durch Massenverbrennungen reich?
Das Hochstift Würzburg wurde nicht von einem Fürsten regiert, sondern von einem sogenannten Bischofsfürst, der zugleich geistliches Oberhaupt und weltlicher Herrscher war. Von 1623 bis 1631 bekleidete dieses Amt Philipp Adolf von Ehrenberg, der dem Hexenwahn vollends erlegen war. Die erste Hexenverbrennung ist für den 3. Februar 1625 überliefert. Zwischen 1627 und 1629 fanden 42 Massenverbrennungen mit 219 Todesopfern statt. Insgesamt kann sich Ehrenberg 900 Hinrichtungen wegen Hexerei im Hochstift Würzburg aufs Kerbholz schreiben. Sicherlich mag religiöser Eifer eine wichtige Motivation gewesen sein, doch auch andere Gründe könnten eine Rolle gespielt haben. So erging zum Beispiel am 10. Juni 1627 ein Erlass, durch den sämtliche weltliche Güter von verurteilten Hexen und Hexern der Staatskasse zugeführt werden. Dadurch erwirtschaftete das Hochstift bis 1629 insgesamt 80.000 Gulden. Letztendlich nahm der Hexenwahn in Würzburg solche Ausmaße an, dass selbst die Hexenkommissare, also die vorsitzenden Richter der Prozesse, der Hexerei angeklagt wurden.
Dagegen handelte die Ingolstadter Justiz eher modern
Ein ganz anderes Bild ergibt sich für die Stadt Ingolstadt. Ihr wurde sogar nachgesagt, in Bezug auf die Hexenfrage eher „faul" zu sein. Dies lag vor allem an der dort ansässigen juristischen Fakultät, die bei Gerichtsfragen verantwortlich war und auch regelmäßig für juristische Gutachten in Gerichtsfällen auch jenseits der Stadtgrenzen beauftragt wurde. Ein überliefertes Beispiel stellt ein Gutachten zu einem Hexenprozess von 1631 dar. Dabei geht es um eine Frau, die immer wieder durch „sonderbares Verhalten" auffällig wurde und letztendlich von ihrem Sohn angezeigt wurde. Da auch unter der „peinlichen Befragung" nichts Verwertbares von ihr zu erhalten war, wandte sich die Freisinger Gerichtsbarkeit an die juristische Fakultät in Ingolstadt. Diese zweifelte die Aussagen der Angeklagten an und ordnete ihre sofortige Freilassung an. Auch stellte sich die Fakultät gegen das Prinzip der Bereicherung aus dem Vermögen der Verurteilten und war der Meinung, dass das Geld den Kindern und Angehörigen zustehe. Sogar die unter Folter genannten Namen anderer Hexen wurden von der Fakultät verworfen. Die Juristen waren der Auffassung, dass die Angeklagte nur irgendwelche Namen genannt hatte, da sie hoffte, so freizukommen.
Literatur
Bräutigam 2008, Die Hexenverfolgung im Hochstift Würzburg, In: Frankenland, Zeitschrift für fränkische Landeskunde und Kulturpflege Bd. 60.
Jäger 2004, Geschichte des Hexenbrennens in Franken (insbesondere Gerolzhofen) im 17. Jahrhundert.
Schrittenloher 1963, Aus der Gutachter- und Urteilstätigkeit der Ingolstädter Juristenfakultät im Zeitalter der Hexenverfolgung, In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 23, Weber 2019, 900 Jahre Kloster Michelfeld