Zeitreise in die Vergangenheit: Regensburg zwischen Antike und Mittelalter
Die ersten römischen Spuren in Regensburg finden sich im heutigen Stadtteil Kumpfmühl-Ziegetsdorf-Neuprüll. In der Antike lag Kumpfmühl noch außerhalb der Stadt. Hier gründeten die Römer um 79 n. Chr. ein Kohortenkastell, das jedoch ca. 171 bis 175 n. Chr. in den Markomannenkriegen zerstört wurde. Danach errichteten die Römer etwas weiter nordöstlich, direkt am Südufer der Donau, das Legionslager Castra Regina (Lager am Regen). Dieses wurde unter Kaiser Marc Aurel im Jahr 179 n. Chr. gegründet. Darauf deutet die Gründungsurkunde von Castra Regina hin, eine originale Gründungsinschrift, die sich heute im Historischen Museum von Regensburg befindet.
Insbesondere die Stationierung der Legio III Italica mit rund 6000 Soldaten hat die Entwicklung des Regensburger Raumes nachhaltig beeinflusst. Das Legionslager war Hauptstützpunkt der Provinz Raetien und stellte damit eine Ausnahme im römischen Verwaltungssystem dar, denn es wurde nicht in der Provinzhauptstadt Augsburg errichtet.
Regensburger Donauraum zwischen 4. und 9. Jahrhundert: Völkerwanderungen
Auf einer kartographischen Darstellung des römischen Straßennetzes, der sogenannten Tabula Peutingeriana, wird Regensburg erstmals mit der Bezeichnung Regino im 4. Jahrhundert erwähnt. Regensburg, das in den Schriftquellen unter verschiedenen Namen wie Castra Regina (5. Jh.), Radaspona (8. Jh.) oder Ragenisburg (9. Jh.) erwähnt wird, ist zu Beginn dieser Zeitspanne ein Militärstützpunkt an einer Außengrenze des Imperium Romanum. Doch während der Völkerwanderungszeit, im Laufe des 5. Jahrhunderts, wurde das römische Kastell militärisch aufgelöst und diente künftig als ummauerte Zivilsiedlung.
Romanen und Germanen im 5. Jahrhundert:
Das spätantike Regensburg oder Castra Regina war nur noch ein Schatten der früher blühenden Legionsanlage. Die Zivilbevölkerung zog ins Kastell, so dass die weitläufige Lagervorstadt verwüstete. Mehr und mehr wuchs die Zahl germanischer Söldner an. Es handelte sich dabei um Krieger elbgermanischer Abstammung aus dem 5. Jahrhundert, was vor allem an den Funden von Keramikfragmenten im Lagerbereich erkennbar ist. Die Germanen lebten zusammen mit der Zivilbevölkerung in den provisorischen Mannschafts- und Offiziersunterkünften des ehemaligen Legionslagers. Gleichzeitig war Regensburg aber noch in das römische Handelsnetz integriert. Aus der Zeit um 400 importierte Glasbecher wurden sowohl in spätantiken Gräbern in der Nordwestecke des Kastells als auch fragmentarisch in den Siedlungsschichten im Inneren des Lagers gefunden. Jahrzehnte später gelangte eine Tonlampe aus Nordafrika nach Regensburg, von der sich ein kleines Fragment erhalten hat. Hinweise auf eine romanische Restbevölkerung am Ort geben Produkte, die nach römischer Technik hergestellt wurden und für Germanen bestimmt waren. Das gilt beispielsweise für den christlichen Grabstein von Sarmanna oder für ein teilglasiertes Gefäß, das sich in Form und Verzierung an germanische Vorbilder anlehnt.
Bajuwaren zwischen 6. und 8. Jahrhundert:
Die Bajuwaren (auch Baiuwaren, die ursprüngliche Namensform der Baiern) tauchen erstmals in der Mitte des 6. Jahrhunderts in der Geschichte auf. Regensburg war von etwa 500 bis 788 der Sitz der bajuwarischen Herzöge aus der Adelsfamilie der Agilofinger. Anhand der Schriftquellen lässt sich der erste bekannte Herzog der Bajuwaren Garibald um 555 erwähnen. Der bajuwarische Stamm bildete sich wohl in den Jahrzehnten davor. Die Grabinventare lassen darauf schließen, dass es in der Zeit um 500 und in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts zu einem Bevölkerungszuwachs kam. Grund dafür war vermutlich der Machtanspruch des Ostgotenkönigs Theoderich (451/456-526), der an der Aufsiedlung des bis zur Donau nur wenig besiedelten Landes interessiert gewesen sein musste. Für das Stadtgebiet von Regensburg sind bisher nur wenige Funde aus der bajuwarischen Frühzeit bekannt. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass der Ort bereits seit der Stammesbildung eine Herzogsresidenz gewesen sein dürfte. So stammen die ältesten der auf dem bajuwarischen Gräberfeld bei St. Emmeram entdeckten reichen Gräber aus der Zeit um 600, ebenso wie das auf dem Bismarckplatz aufgedeckte Pferdegrab als Teil der Grabstätte eines adligen Reiters aus der gleichen Zeit. Die Tatsache, dass diese Bestattung selbst wahrscheinlich um 920 beim Ausbau der Stadtbefestigung zerstört wurde, gibt einen Hinweis auf die schlechten Erhaltungsbedingungen der frühmittelalterlichen Gräber im Stadtgebiet.
Baiern und Slawen zwischen 8. und 10. Jahrhundert:
788 beendete Karl der Große mit der Absetzung von Tassilo III., dem letzten Herzog aus dem Herrschergeschlecht der Agilofinger, das alte bajuwarische Herzogtum. Allerdings blieb Regensburg die Residenz der nachfolgenden bairischen Herzöge und wurde zu einer der wichtigsten Königspfalzen im Karolingerreich. Zusammen mit Frankfurt entwickelte sich Regensburg zum bedeutendsten Zentrum des ostfränkischen Reiches. Die Sonderstellung der Stadt lässt sich jedoch an den Funden aus der karolingischen Zeit nicht erkennen. Dies ist vor allem auf das Erlöschen der Grabsitten zu Beginn des 8. Jahrhunderts zurückzuführen. Grabfunde sind heute nicht mehr nachzuweisen, so dass eine nähere zeitliche Einordnung nur eingeschränkt möglich ist. Aufgrund der intensiven Überbauung der Innenstadt treten frühmittelalterliche Siedlungsfunde nur in Einzelfällen zum Vorschein. Regensburg lag im Frühmittelalter trotz seiner Bedeutung am Rande des ostfränkischen Reiches. Große Teile der heutigen Oberpfalz wurden spätestens seit dem 8. Jahrhundert durch Slawen bewohnt, die wohl Erst im Laufe der Zeit unter die Herrschaft der Baiern und Franken kamen. Man kann diese slawische Besiedlung historisch, namentlich und archäologisch nachweisen. In einer Anordnung von Kaiser Karl dem Großen aus dem Jahr 805 werden die Kontrollpunkte des Handels mit den Slawen erwähnt, und zwar in Regensburg, Premberg bei Burglengenfeld, Forchheim und Hallstadt bei Bamberg. Es hängt offenbar mit der slawischen Bevölkerung zusammen, dass hier die Beigabensitte zu Beginn des 8. Jahrhunderts nicht wie im alten bajuwarischen Siedlungsgebiet abgeschafft wurde. Die karolingischen Reihengräber blieben teilweise bis ins 9. Jahrhundert üblich. Die Art der Bestattung entspricht der der älteren Reihengräber, so dass es insbesondere bei den südlichen Gräberfeldern bei Regensburg teilweise nicht einfach festzustellen ist, ob hier tatsächlich nur slawische Bevölkerung begraben wurde. Häufig findet man in solchen Gräbern aber auch typisch slawische Funde, die vor allem in Böhmen und Mähren zu finden sind.
Politische und religiöse Dynamik im raetischen Raum
Der Zeitraum zwischen 4. und 9. Jahrhundert zeichnet sich in Regensburg wie auch in der gesamten Region durch eine dynamische politische und soziale Entwicklung aus. Auf politischer Ebene hat sich immer wieder gezeigt, dass Entscheidungen zentraler Behörden, die auf überregionaler Ebene getroffen werden, nachhaltige Auswirkungen auf regionale Entwicklungen haben konnten. Die Stationierung bzw. Neugestaltung der römischen Truppen hat die Entwicklung der regionalen Besiedlung beeinflusst. In der Merowingerzeit (etwa ab Mitte des 5. Jh. bis 700) hatte die Einsetzung politischer Beamter an der Peripherie ihres Machtbereichs einen wesentlichen Einfluss auf die Bildung von Adelsgruppen und führte zu politischer Macht. Die Auflösung der überregionalen Karolingerherrschaft (751-919) hingegen brachte eine politische Regionalisierung im bajuwarischen Raum mit sich, die ihrerseits einen Bedeutungsanstieg des zu einem Zentrum gewordenen Regensburgs auf regionaler Ebene zur Folge hatte. Der Prozess der Christianisierung im Regensburger Raum verlief dagegen in geringerem Tempo. Eine zentrale Weichenstellung auf kaiserlicher Ebene während der Römerzeit war auf regionaler, oder gar lokaler Ebene praktisch nicht möglich. Das Ausmaß und die Intensität der Christianisierung der Region in weiteren Perioden bleiben unklar. Andererseits scheint es in frühen bajuwarischen Kontexten Mischformen religiöser Praxis gegeben zu haben. Nur mit den politisch stabilen Phasen, die mit den Agilofingern und später mit den Karolingern kamen, konnten sich hierarchisierte kirchliche Strukturen sowie eine missionarische Ausstrahlung der bajuwarischen Kirche etablieren.
Literatur
A. Boos/S. Codreanu-Windauer u.a., Regensburg zwischen Antike und Mittelalter, in: M. Angerer/H. Wanderwitz (Hrsg.), Regensburg im Mittelalter. Beiträge zur Stadtgeschichte vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit Bd.1 (Regensburg 1995) 31-44.
D. Syrbe, Regensburg und die Grenzen und Übergänge zwischen Antike und Mittelalter im raetischen Donauraum, in: O. Heinrich-Tamáska/N. Krohn u. a. (Hrsg.), Grenzübergänge. Spätrömisch, frühchristlich, frühbyzantinisch als Kategorien der historisch-archäologischen Forschung an der mittleren Donau, Forschungen zu Spätantike und Mittelalter Bd. 4 (Remshalden 2016) 327-342.
M. Angerer (Hrsg.), Regensburg im Mittelalter. Katalog der Abteilung Mittelalter im Museum der Stadt Regensburg (Regensburg 1995)
T. Kade, Römer, Germanen und der Limes: Wirtschaftlicher Austausch undgrenzüberschreitender Handel im Herzen Europas vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. (2014)
Links
https://www.regensburg.de/buergerservice/stadtgeschichte/regensburg-in-der-antike