Nürnberg – Zentrum der Messingindustrie seit dem Mittelalter
Um 1400 bildeten neue Handwerke und technische Fortschritte die Grundlage für die Entwicklung der Messingindustrie in den südlichen Niederlanden, Nordfrankreich sowie in Nürnberg. Nürnberg entwickelte sich zu einem der wichtigsten Zentren der Rotschmiede, nachdem Dinant (Belgien), der damalige Hauptsitz der Messingindustrie 1466 von den Truppen Karls des Kühnen zerstört wurde. Die Produkte der Rotschmiede waren aus Messing gegossene Kirchen- und Haushaltsgegenstände jeder Form und Größe.
Bei Messing handelt es sich um eine Kupferlegierung mit einem Anteil von mindestens 50 % Kupfer und bis zu 40 % Zink. Die Farbe hängt vom Zinkgehalt ab, so bekommt Messing bei einem Anteil von 20% Zink eine bräunlich-rötliche und bei über 36% eine hellgelbe Farbe. Messing war aufgrund seines glänzenden, goldähnlichen Aussehens lange ein beliebtes Material und wird auch heute noch z.B. für Schubladengriffe oder Türknöpfe verwendet.
Nürnberger Rotschmiede
Die Anfänge des Messinggusses in Nürnberg liegen vermutlich um 1300 n.Chr., wann genau ist nicht bekannt. So finden sich in den Nürnberger Meister- und Neubürgerbüchern keine Einträge, die einen Hinweis auf direkte Zuwanderung aus den mittelalterlichen Messingzentren, wie aus Dinant geben könnten. Auch aus anderen Quellen wird auch nicht deutlich, ob der Aufschwung in Nürnberg eine direkte Folge der Zerstörung von Dinant darstellte. Für die Rotschmiede gibt es jedenfalls keinen direkten chronologischen Zusammenhang.
Geräte aus Messing
Ab 1400 nahm die Vielfalt der Kirchengeräte deutlich zu. Die am häufigsten vorkommenden Gattungen bildeten in Nürnberg Leuchter jeglicher Art sowie Monstranzen, Ziborien, Weihrauchfässer, Weihwasserkessel, Ampeln und Altarglocken. Im 14. und 15. Jahrhundert nahm auch die Zahl der Haushaltsgeräte bzw. Gegenstände zu, die mit besseren Fertigungstechniken hergestellt wurden. Sie entsprachen vor allem den Bedürfnissen der wohlhabenden städtischen Schichten. Es handelte sich dabei um Gießgefäße, Leuchter, Küchen- und Tischgeräte wie Mörser, Schüsselringe oder Warmhaltepfannen. Einige Gegenstände, wie Lavabokessel, Kannen und andere Gießgefäße wurden sowohl in der Kirche als auch im Haus verwendet. So wurden beispielsweise die profanen Lichtträger auch auf Altären gebraucht.
Hohe Qualität zu günstigen Preisen: technische Eigenschaften
Die Nürnberger Metallindustrie zeichnete sich durch die Produktion großer Mengen in hoher handwerklicher Qualität bei günstigen Preisen aus. Diese Fertigung hatte zur Folge, dass die Werke der Rotschmiede ausgeprägte handwerkliche Spuren zeigen, z. B. vom Guss. Ein Wachsausschmelzverfahren wäre zu aufwändig für so große Mengen gewesen. So fehlt es beispielsweise in der Werkstatt von Katharina Amman 1529 an geeignetes Gerät und Material. Es werden allerdings zwei „ziechredlein zum formen" mit dem entsprechenden Zubehör erwähnt. Solche Drehvorrichtungen wurden verwendet, um Kern und Modell einer ein- oder mehrfachen Lehmform herzustellen. Gut erhalten sind die Spuren an den Innenflächen vieler Scheiben- und Balusterleuchter, da der Guss dort nicht überarbeitet wurde. Gleichzeitig verwendete man Holzmodelle, die mit Öl eingestrichen und in einer Mischung aus Ton, Sand und Haaren abgeformt wurden. Auf diese Weise konnten beliebig viele gegliederte Formen aus einem permanenten Modell gewonnen werden.
Marken als Herkunftsnachweis und Datierung
Unter den Rotschmieden war es üblich, Meistermarken einzuschlagen. Dies ermöglicht die Datierung, sowie den Herkunftsnachweis aus Nürnberg. Zur Auflösung der Stempel und zur Zuordnung der erhaltenen Gegenstände zu bestimmten Meistern oder Werkstätten fanden u. a. Markenabbildungen auf Epitaphien, Porträts und Wappen Verwendung. Auch in den Handwerksakten sind seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts entsprechende Aufzeichnungen belegt. Bemerkenswert an den Nürnberger Rotschmiedearbeiten ist die Tatsache, dass die beliebten Gerätetypen, Formen und Schmuckmotive über Jahrhunderte nahezu gleichblieben. Daher ist eine Datierung allein nach formalen und stilistischen Merkmalen besonders problematisch. Dieses Datierungsproblem besteht insbesondere bei funktional geformten Stücken ohne zeittypische Ornamentik. Es gibt allerdings bestimmte Gegenstände, die in Nürnberg entwickelt und überwiegend dort hergestellt wurden. Dies sind z. B. Handfeuerspritzen und Einsatzgewichte.
Nürnberg als europäische Handelsmacht
Bereits seit dem 15. Jahrhundert lieferte Nürnberg Messingprodukte in weite Teile Europas. Der Erfolg lag unter anderem in der Spezialisierung der Rotschmiede nach ihren Erzeugnissen. Dies ermöglichte eine Massenproduktion mit hoher Qualität und günstigen Preisen. Wie die zeitgenössischen Quellen berichten, erfolgte um 1800 ein intensiver Export nicht nur in alle Gebiete Deutschlands, sondern auch sehr oft nach Russland, Italien und Spanien.
Mit dem Niedergang des Handwerks im 19. Jahrhundert konzentrierte man sich auf die Herstellung von Armaturen, konnte jedoch mit der industriellen Entwicklung nicht mithalten. Die Innung der Rot- und Glockengießer, die sich an das Handwerk der Rotschmiede anschloss, wurde 1936 endgültig aufgelöst.
Literatur
A.-E. Theuerkauff-Liederwald, Mittelalterliche Bronze- und Messinggefässe, in: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaften (Berlin 1988)
H. P. Lockner, Die Merkzeichen der Nürnberger Rotschmiede, in: Bayerisches Nationalmuseum München,1981, Heft 6
O. A. Baumgärtel, Bildquellen für altes Messinggerät. Rotschmieddarstellungen aus zwei Nürnberger Stiftungen, in: Kunst und Antiquitäten, 1983, Heft 4, S. 36-43
O. A. Baumgärtel, Glänzend wie Gold: Arbeiten der Nürnberger Rotschmiede bis zum Dreißigjährigen Krieg; zur Ausstellung in Schloss Friedenstein, Gotha, 26.04.2015 bis 26.07.2015 (2015)
O. A. Baumgärtel, Wie erkennt man Nürnberger Messinggerät? Grundlagen für die Lokalisierung und Datierung, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 2002, S. 177-188
O. A. Baumgärtel, Zu den Nürnberger Zapfhahnen und ihren Meistermarken, in: D. Walter/O. A. Baumgärtel, Zur Geschichte des Wasserhahns: die römischen Wasser-Armaturen und mittelalterlichen Hahnen aus der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 64 (Zürich 1997) S. 97-128