Die Rolle der Frau in der Steinzeit … ganz anders als bisher gedacht. (Teil 1/2: Die Sicht der Archäologie)
Woher kommt dann das Bild der jagenden Männer und sammelnden Frauen?
Die Grundlage der Idee von geschlechtsdifferenzierten Rollenverteilungen sind ethnografische Reiseberichte, wie zum Beispiel von Claude Lévi-Strauss. Viele Verfasser schrieben aus ihrem patriarchalisch geprägten Selbstverständnis heraus und damit subjektiv und wertend. Die Berichte zeichneten oft ein verzerrtes Bild und fußten auf dem weithin verbreiteten Rollenbild von Männern als Versorgern und Frauen als Hausfrauen.
Es war wohl ganz anders
Neue ethnografische Untersuchungen aus Afrika, Amerika und Australien zeigen, dass es in außereuropäischen Kulturen durchaus jagende Frauen gab und gibt. So beteiligen sich bei diversen Pygmäengruppen sowohl Männer, Frauen als auch Kinder ab fünf Jahren an der Netzjagd. Frauen nehmen hier bereits wenige Tage nach einer Geburt wieder an der Jagd teil.
Archäologische Forschungen in Nord- und Südamerika ergaben eine fast gleichwertige Rollenverteilung. Von 429 untersuchten steinzeitlichen Individuen konnten 27 der Jägerrolle zugeordnet werden. Davon waren 11 weiblich und 16 männlich!
Veraltete Rollenbilder beeinflussen auch bzgl. anderer Epochen die geschichtswissenschaftliche Interpretation. So zum Beispiel bei keltischen Fürstengräbern. Oder sollte man dann doch eher von Fürstinnen- und Fürstengräbern sprechen?
Zwar weiß man schon länger auch von keltischen Fürstinnen, wie z.B. die Grabstätte von Vix in Frankreich belegt, doch werden Bestattungen häufig nach Geschlechterklischees beurteilt. Finden sich beispielsweise in einer Grabkammer eine Frau und ein Mann ist unweigerlich klar, dass der Mann der Fürst gewesen sein muss und die Frau ihm ins Grab folgte. Und selbst bei der Fürstin von Vix finden sich in den bildlichen Rekonstruktionsdarstellungen veraltete Vorstellungen darüber wie eine Frau auszusehen hat.
Haben Sie mehr Interesse am Thema?
Hier zwei weiterführende Links:
https://www.femarc.de/
https://www.nmbiel.ch/virtual-tour/?lang=de (virtuelle Ausstellung ICH MANN.DU FRAU. Neues Museum Biel)
und eine Buchempfehlung:
Marylène Patout-Mathis, Weibliche Unsichtbarkeit. Wie alles begann (München 2021)
Literatur:
B. Röder (Hrsg.), Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten? Begleitbuch zur Ausstellung des Archäologischen Museums Colombischlössle (Freiburg i.Br. 2014).
R. Haas, J. Watson, T. Bounasera, J. Southon, J.C. Chen, S. Noe, K. Smith, C.V. Llave, J. Eerkens, G. Parker, Female hunters of the early Americas. Science Advances 6, eabd0310 (2020).
B. Röder, Beutejäger und Nesthüterin. Trügerische Orientierung an einem steinzeitlichen Traumpaar. In: B. Rendtorff, C. Mahs, A.-D. Warmuth (Hrsg.), Geschlechterverwirrungen. Was wir wissen, was wir glauben und was nicht stimmt (Frankfurt a.M. 2020), 69-76.
https://www.zeit.de/kultur/2020-08/geschlechterklischees-archaeologie-kelten-graeber-kulturhistorische-deutung-patriarchat