Das Neolithikum in Franken – Wir wissen noch längst nicht alles
Altneolithikum (ca. 5500 – 4900 v.Chr.)
Im Mittelmeerraum und auf dem Balkan breiten sich ab dem 7. Jahrtausend v. Chr. die ersten Neolithiker aus, also Menschen, deren Lebensweise nicht mehr auf Jagd und Sammeln basiert, sondern auf Ackerbau und Viehzucht. Ab etwa 5500 v. Chr. tauchen die ersten Bauern in Mitteleuropa auf. Bei ihnen handelt es sich um die sogenannte Kultur der Linearbandkeramik, die sich großflächig über ganz Mitteleuropa ausbreitet. Namensgebend ist ihre durch eingeritzte Bandmotive verzierte Keramik. Anhand der Unterschiede in den Bandmotiven lassen sich innerhalb der Bandkeramik nochmals Entwicklungsstufen definieren. Im Laufe der Zeit erscheinen immer mehr kleine regionale Gruppen.
Neben der Keramik sind vor allem geschliffene Beile aus Felsgestein typisches Fundgut aus dieser Zeit. Die sogenannten Schuhleistenkeile mit einer speziellen länglichen Form, erlauben die Bearbeitung von Baumstämmen. Man kann hier bereits durchaus von Zimmermannsarbeiten sprechen. Die Bandkeramiker waren in der Lage große Langhäuser aus Holz mit Lehm-Flechtwänden zu errichten. Sie standen in Reihen parallel zueinander und bildeten so dorfartige Siedlungsstrukturen, meist in der Nähe von Fließgewässern in Lössgebieten. Löss bringt fruchtbare Böden hervor und war so für den frühen Ackerbau eine erste Wahl, wie zum Beispiel die Fundstellen im oberfränkischen Itz-Baunach-Hügelland zeigen.
Mit der Untersuchung des Fundplatzes am Motzenstein auf der nördlichen Frankenalb wurde zudem klar, dass auch die höher gelegenen Regionen der Mittelgebirge bereits von den ersten Bauern genutzt wurden. Auch Ritualplätze lassen sich hier finden. Lange ging man davon aus, dass diese Bereiche aufgrund ihrer ungünstigen Lage gemieden wurden.
Mittelneolithikum (ca. 5000 – 4400 v.Chr.)
Im Laufe des 5. Jahrtausends vor Christus zerfällt das überregionale Gebilde der Bandkeramik in mehrere größere und kleinere Gruppen. In Franken spielen dabei die Kultur der Stichbandkeramik, die Rössener Gruppe sowie die Oberlauterbacher Gruppe (resp. Südostbayerisches Mittelneolithikum) eine Rolle. Unklar sind bis heute die Gründe dieser Veränderung. Dabei wird vielfach über weitgehende wirtschaftliche und soziale Krisen diskutiert.
In Franken sind Keramiküberreste dieser neuen Gruppen zum Beispiel aus Bayreuth und aus dem Landkreis Forchheim bekannt. Die Fundlage zeigt dabei eine Auffälligkeit im Siedlungsverhalten: Alle drei Gruppen scheinen immer am gleichen Siedlungsplatz aufzutreten.
Besonders am Beispiel des von Niederbayern bis Mittelfranken verbreiteten Südostbayerischen Mittelneolithikums (SOB) wird deutlich, welch komplexen überregionalen Beziehungsgeflechte sich bereits ausgebildet haben.
Das haben K. Riedhammer und D. Meixner treffend dargestellt, wenn sie berichten, dass „...bei der Genese der Münchshöfener Kultur einheimische Wurzeln beteiligt gewesen sein müssen. Ebenso wurden aber auch westliche Einflüsse verarbeitet, wie es das Aufkommen der Furchenstichverzierung zeigt, die vom späten Rössen bzw. den Post-Rössen Schulterbandgruppen vermittelt wurden. Immernoch unklar ist hingegen die Rolle der Lengyel-Kultur: Trotz vieler Ähnlichkeiten in keramischen Details (…) fehlt es bislang an einer stimmigen Synchronisierung mit bayerischen Erscheinungen."
Jungneolithikum (4400 – 3500 v.Chr.)
Für den fränkischen Raum können leider nur wenige Aussagen über das Jungneolithikum gemacht werden. In Oberfranken gibt es einige Funde von spitznackigen oder trapezförmigen Beilen, die in diese Zeit eingeordnet werden können. Für das nördliche Mittelfranken als auch das Nördlinger Ries und das Donaugebiet wissen ArchäologInnen von der Anwesenheit der Goldberg-Gruppe. Bis vor kurzer Zeit waren jungneolithische Keramikfunde aus Mittelfranken völlig unbekannt. Erst in den letzten Jahren hat sich der Datenbestand durch neue Grabungen verbessert.
Generell ist das Jungneolithikum eine sehr verwirrende Zeit, in der großräumige Phänomene wie die Rössener Kultur enden und durch andere überregionale Kulturen, wie die Bischheimer Kultur ersetzt werden. Dazu kommen aber auch kleinräumige Regionalgruppen. Definiert werden diese wie zuvor über ihre verschiedenen Keramikstile. Allerdings lassen sich kaum charakteristische Haus- und Siedlungsformen, Geräte oder Bestattungsweisen fassen. Daher haben ArchäologInnen schwere Abgrenzungsprobleme und Erklärungsnöte hinsichtlich Entwicklung und Beziehungen der einzelnen Keramikgruppen.
Aber es gibt ein herausragendes Merkmal des Jungneolithikums:Es treten erstmals Metallartefakte in Form von einfachen Objekten aus Kupfer auf. Das älteste in Süddeutschland stammt aus der unterfränkischen Siedlung Schernau aus dem 44. - 43. Jahrhundert v. Chr. Solche Funde sind im westlichen Mitteleuropa jedoch so selten, dass sich der Begriff „Kupferzeit" (Chalkolithikum) hier nicht etabliert hat.
Spätneolithikum (3500 – 2800 v.Chr.)
Wie schon im vorhergehenden Jungneolithikum zeigen sich auch hier zahlreiche Kontakte zwischen den Gruppen auch mit überregionalem Charakter. Das zeigen die fränkischen Fundorte Voitmannsdorf und Staffelberg, die auf Kontakte mit dem benachbarten Hessen, sowie Mitteldeutschland und das südöstliche Bayern verweisen. Beteiligt sind hier die kulturellen Gruppen Bernburg, Burgerroth, Cham, Goldberg III und Wartberg. Vor allem zeigt die unterfränkische Fundstelle Burgerroth, wie verwirrend sich die Kulturgeflechte im Spätneolithikum weiterhin darstellen. Zwischen dem Voralpenland und der Mittelgebirgsschwelle lassen sich bisher nur sehr wenige Siedlungen fassen, weshalb nur ein ungenaues Bild der Entwicklung gezeichnet werden kann. Immerhin lässt sich an der Verteilung der Fundplätze ablesen, dass es auf der nördlichen Frankenalb einen Bezug zu Gewässern gegeben haben muss, was angesichts der nötigen Wasserversorgung auch nicht weiter verwunderlich ist.
Endneolithikum (2800 – 2200 v.Chr.)
Im Endneolithikum ändert sich nun wieder das Bild, denn mit der Schnurkeramik und den Glockenbechern stehen sich wieder zwei sehr große Kulturerscheinungen gegenüber, die sich über weite Teile Europas erstrecken. Auch diese beiden Kulturen erhielten ihre Namen über ihre typische Keramik. Gefäße der Schnurkeramiker sind mit Schnurabdrücken versehen, während die Glockenbecher Gefäße verwendeten, die wie umgestülpte Glocken aussehen. Obwohl die Schnurkeramik in der archäologischen Forschung schon lange einen Schwerpunkt bildet, ist es bis heute dennoch schwer zu sagen, wie ihre Wirtschaftsweise, ihr rituelles Leben oder ideologische Organisation aussah. Zwar stehen der Wissenschaft im Gesamtverbreitungsgebiet mehr als 10.000 Gräber zur Untersuchung zur Verfügung, doch in den Randbereichen, wie dem Mittelgebirge oder der norddeutschen Tiefebene sind nur etwa 30 Siedlungsplätze bekannt. Es gibt zwar immer mehr Ausgrabungen und damit auch Hinweise auf eine Besiedlung der Mittelgebirgszone, doch der Erhaltungszustand der Überreste ist selten so gut, dass man mit naturwissenschaftlichen Methoden mehr über die Lebensweise der Menschen erfahren könnte. Eine der wenigen Ausnahmen ist der oberfränkische Fundplatz bei Wattendorf im Landkreis Bamberg. Hier konnten mit naturwissenschaftlichen Analysen weitergehende Informationen über die Wirtschaftsweise, das Austauschsystem, den Ritus und die Siedlungsweise gewonnen werden, weshalb Wattendorf eine sehr hohe Bedeutung für die Erforschung der Schnurbandkeramik hat.
Literatur
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J. Müller/T. Seregély, Die schnurkeramische Siedlungweise in Mitteleuropa. In: J. Müller/T. Seregély (Hrsg.), Endneolithische Siedlungsstrukturen in Oberfranken 2. Wattendorf-Motzenstein. Eine schnurkeramiswche Siedlung auf der Nördlichen Frankenalb. Naturwissenschaftliche Ergebnisse und Rekonstruktion des schnurkeramischen Siedlungswesens in Mitteleuropa. Universätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 155 (Bonn 2008) 175-188.
A. O`Neill/H. Schwarzberg, Neue Forschungen zur linearbandkeramischen Siedlung von Stadel, Lkr. Lichtenfels, Oberfranken. In: J. Pechtl/T. Link/L. Husty (Hrsg.), Neue Materialien des Bayerischen Neolithikums. Tagung im Kloster Windberg vom 21. bis 23. November 2014. Würzburger Studien zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie 2 (Würzburg 2016) 51-62.
W. Schier, Jungneolithikum und Kupferzeit in Mitteleuropa. In: C. Lichter (Hrsg.), Jungsteinzeit im Umbruch. Die Michelsberger Kultur und Mitteleuropa vor 6000 Jahren. Katalog zur Ausstellung im Badischen Landesmuseum Schloss Karlsruhe (Darmstadt 2010) 26-36.
D. Raetzel-Fabian, Göttinger Typentafeln zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Neolithikum. PDF-Reprint 2002. www.jungsteinsite.de
www.praehistorische-archaeologie.de