Es war ganz anders als im Film (Teil 2) – Die Innenräume im Mittelalter waren bunt

Eine mittelalterliche Stadt bestand nicht nur aus schiefen, braunen Lehmhütten. Darauf ist bereits der erste Teil der Beitragsreihe eingegangen. Wie sah es aber mit den Innenräumen aus? Wie man schon ahnen kann, setzt sich hier die Gestaltungslust und der Repräsentationswille der Menschen fort.
Die ältesten erhaltenen Farbfassungen stammen meist aus Befundungen an Baudenkmälern. Anhand dieser Originale können neben den verwendeten Farben auch Muster festgestellt werden. Diese wertvollen Informationen zeigen uns allerdings nur die Situation im späten Mittelalter. Dass es bereits im frühen und hohen Mittelalter Farbfassungen gegeben haben muss, kann indirekt über mit Farbanstrichen versehene Putzbrocken aus archäologischen Grabungen festgestellt werden. Dabei fehlen jedoch die Muster. Außerdem ist es ein Problem, dass die Farben im feuchten Erdreich schnell vergehen und nur mit Kalkputz versehene Steine oder Lehmbrocken der Flechtwände übrigbleiben.
Aus Grabungen in frühmittelalterlichen Kirchen in Mähren stammen einige Wandputzstücke, die uns einen Eindruck der vorhandenen Farben geben. Zum Teil sind auch Fragmente der ehemaligen Bemalung erhalten. Ob diese Farben und Muster auch in Innenräumen von Wohnhäusern verwendet wurden kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, sieht man sich die Vielfalt der jüngeren Befunde an.
Wandputzfragmente des 9./10. Jahrhunderts aus Staré Mĕsto-Uherské Hradištĕ mit netzartigen Bändern und Streifen in grauen, rötlichen, braunen und bläulichen Farbtönen (Pippal / Daim 2008, S. 59, Abb. 33)
Putzfragmente des 9./10. Jahrhunderts aus Mikulčice mit Bogen- und Punktverzierungen in rötlichen, Ocker- und Brauntönen (Pippal / Daim 2008, Taf. 6)

In Deutschland oft neu bemalt
Als der französische Autor Michel de Montaigne (*1533, + 1592) im Jahr 1580 durch das heutige Süddeutschland reiste, stellte er verwundert fest, dass in "Deutschland die Häuser in den Städten oft neu bemalt werden, was ihnen ein geradezu blühendes Aussehen gibt, und fast alle, die wir zu Gesicht bekamen, waren erst vor drei, vier Jahren renoviert worden (was wir an den Daten sahen, die man dort stets anzubringen pflegt)" (zitiert nach Bedal 2010, S. 19).

Könnte es sein, dass Montaigne hier übertreibt? Sieht man sich das 1367 (nach Dendrodatierung) errichtete Taglöhnerhaus aus Marienstein an, finden sich ca. 400 nachweisbare Farbschichten mit einer Gesamtstärke von etwa 3cm. Das bestätigt tatsächlich seinen Eindruck, dass gerne und oft die Wandgestaltung in Teilen oder ganz überarbeitet wurde.

Bei der Untersuchung des Taglöhnerhauses wurden aus Kostengründen nicht alle Schichten archäologisch aufgenommen und auch nur kleine "Schnitte" durch den Putz gelegt. Eine vollflächige Freilegung der Wände wäre zu aufwändig gewesen und hätte zudem die Quelle unersetzbar zerstört. Vielleicht wird es in Zukunft Techniken geben, bei der die einzelnen Farbschichten zerstörungsfrei und vollflächig dokumentiert werden können.

Einen Eindruck wie die Musterung hier ausgesehen haben könnte, findet man in Herrieden, wo 1491 eine gefachbegleitende Linie mit Punktzier aufgebracht wurde.
Herrieden 1491, Im Innenraum des Gebäudes fand sich eine dunkelrote Akzentuierung der gelb gefassten Balken auf ockerfarbenem Grund. In den Gevierten eine zusätzliche Betonung durch rote Punkte.
In den Innenräumen finden sich ebenso wie an den Außenseiten farbig gefasste Balken. Der Kontrast von weißen Gefachflächen und schwarz bemalten Balken findet sich unter anderem 1407 in Eichstätt und 1410 in Wolframseschenbach (hier als zweiter Anstrich nach der ersten Farbfassung). Die Kombination von roten Balken mit weißen Gefachen findet sich in Eichstätt 1322, Bad Windsheim 1421 und Ochsenfeld 1455.
Schwarz gefasste Deckenbalken mit Schnitzdekor aus dem Eichstätter Haus von 1407 – vor der Restaurierung (Bedal 2010, Abb. 26)
Die Deckenbalken der Stube, also des rauchfrei beheizbaren Raumes, der auch zur Repräsentation genutzt wurde, konnten zusätzlich verziert sein. Ein Beispiel ist hier die obere Stube des Hauses Pfarrgasse 21 in Bad Windsheim von 1355. Darin fanden sich vier erhaltene Deckenbalken, die mit einem schwarzen und roten Rankwerk bemalt waren.
Umzeichnung des Musters an den Deckenbalken der Stube in Bad Windsheim, Pfarrgasse von 1355 (Bedal 2010, Abb. 75)
Die Türen zur Stube oder im Haus wurden ebenso beschnitzt, genauso wie markante Bauteile im Inneren. Beispielhaft hier die Eingangstür des Hauses Maternstraße 14 in Bamberg (inzwischen im Historischen Museum Bamberg eingelagert) oder eine freistehende Säule aus Nürnberg.
Türstock mit Spitzbogen und einfachem Knotenmuster, rechts oben die Inschrift: Anno Domini 1456. Rechts: mit Maßwerk beschnitzte Konsole einer Säule aus Nürnberg, Jahreszahl 1477 (Bedal 2006, S. 27)
Es ließen sich noch unzählige weitere Einzelfunde vorstellen. Wegen der jeweils nur bruchstückhaften Überlieferung kann der Gesamteindruck, der durch die Vielzahl an ornamentalen und farbigen Objekten im Haus entstand, nicht nachvollzogen werden. Hier lohnt sich ein Blick in die spätmittelalterliche Malerei. Die dargestellten Räume waren zwar idealisiert, doch fußten sie auf der Realität, wie die Funde belegen.
Meister der Pollinger Tafeln: Innenraumdarstellung von 1444, Mariä Verkündigung: In der Hauskapelle ein mit blauem Hintergrund und goldenen Sternen versehenes, mit roten und gelben Linien eingefasstes Kreuzrippengewölbe mit hellgrauen Wänden. Im Hintergrund ein Zimmer mit metallener Handwaschkanne und Schüssel in der Nische, Balken-Bohlen-Decke, die Balken angefast. Wand grau gestrichen, auf der Bank ein blaues Kissen mit roten Quasten und weißen Verzierungen. (Sammlung Pinakothek, CC-BY-SA_BSTGS_6247)

Veitsaltar, Innenraumdarstellung von 1476 des Veitsaltars: Mit Schachbrettmuster gefließter Boden, rote und hellgraue Wandfarbe. Decke z.T. kassettiert mit grünen, gelben und roten Füllungen und Roten Balken. Im Hintergrund Balkendecke mit gelben Balken und grün-bläulichen Bretterboden. Am Rückteil der Eckbank langrechteckiger Wandteppich mit Tierfiguren und Blumen. (Sammlung Pinakothek, CC-BY-SA_BSTGS_13170)

Neben den rein architektonischen Lösungen zur Verschönerung des Innenraums, fanden die Menschen noch weitere Möglichkeiten ihr Heim angenehm und schön zu gestalten. Kachelöfen mit aufwendig gestalteten Kacheln (mit Mustern, Architekturformen, Medaillons, Figuren u.ä.), beschnitzte und bemalte Möbel, Blumen, bunte Decken und Kissen wurden genutzt, um eine angenehme und repräsentable Wohnung herzurichten. Das Bild vom Mittelalter, indem sich die Menschen in graue oder braune Schaffelle hüllten und in kahlen Hütten auf dem nackten Boden schliefen, scheint deutlich weiter von der Realität entfernt zu sein als die idealisierten Malereien der Altarbilder des ausgehenden Mittelalters.

Literatur:

Pippal / F. Daim, Die frühmittelalterlichen Wandmalereien Mährens und der Slowakei – Archäologischer Kontext und herstellungstechnologische Analyse, in: RGZM, Monographien zur Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie Bd. 12, Innsbruck 2008.

K. Bedal, Das farbige Haus. Vielfalt dekorativer und farbiger Wand- und Deckengestaltung in Franken vom 14. bis ins 19.Jahrhundert, vorwiegend anhand von Befunden des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim, in: K. Bedal, H. May (Hrsg.), Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums, Band 61. Bad Windsheim 2010, S. 19-52.

K. Bedal, Fachwerk vor 1600 in Franken – Eine Bestandsaufnahme, Bad Windsheim 2006.

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