Im Himmel über Nürnberg: Der erste Mensch, der Franken von oben sah.

Am 12. November 1787 ist die ganze Stadt Nürnberg in heller Aufregung. Tausende Menschen aus der Stadt und aus dem Umland strömen zum Stadtpark von Nürnberg. Es steht ein hier nie dagewesenes Ereignis bevor, das alle Schichten und Stände in ihren Bann zieht. Der Rat der Stadt Nürnberg hat einem französischen Mechaniker und Erfinder die Erlaubnis gegeben mit seinem neuen Gefährt etwas Einmaliges vorzuführen: Und zwar zu Fliegen.
Blanchard im Alter von 32 Jahren, Kupferstich zu Ehren von Blanchards Ärmelkanalüberquerung
Jean-Pierre Blanchard (1753-1809) hatte bereits in den 1770er Jahren erste erfolglose Versuche unternommen eine Flugmaschine mit Schlagflügeln zu bauen. Erst als die Gebrüder Montgolfier erste Steigversuche mit einem Heißluftballon unternahmen und kurz darauf 1783 der erste Gasballon abgehoben war, wandte sich Blanchard dieser Form der Luftfahrt zu. Mit seinem mit Wasserstoff gefüllten Ballon tourte er quer durch Europa, überquerte 1784 die Seine in Paris und 1785 den Ärmelkanal zwischen Dover und Calais.

Ein lukratives PR-Event für alle
Blanchard verdiente mit seiner Attraktion gutes Geld. Zum einen verlangte er Eintrittsgeld am Startplatz, zum anderen verstand er es von den Ratsherren der besuchten Städte "Geschenke" zu erhalten. Das erreichte er meist mit der Androhung ihren Ruf bei der nächsten Fahrt in den Schmutz zu ziehen, sollten sie sich zu geizig zeigen.

Die Städte wiederum hatten ein großes Interesse den abenteuerlustigen Ballonfahrer mit seinen Auftritten in ihrer Stadt zu haben. Durch die vielen auswärtigen Besucher wurden Hotels, Gasthöfe und alle Arten von Ladengeschäften gefördert. Bei der Vorführung in Nürnberg hatte die Stadt im Vorfeld sogar extra eine Kommission eingerichtet, die die Nürnberger Kaufleute und Wirte dazu anhalten sollte, mehr Verkaufsbuden in den Stadtpark zu bringen.

Um so viele Schaulustige wie möglich anzulocken, wurde auch in die PR-Trickkiste gegriffen. Blanchard ließ einige Wochen vor dem Starttermin das Gerücht verbreiten, dass die Fahrt aufgrund des winterlichen Wetters in einer Katastrophe enden würde. Der Abenteurer war jedoch erfahren und hatte bereits 27 erfolgreiche Ballonfahrten hinter sich. Natürlich hatte er den Starttermin in Nürnberg so gewählt, dass der Aufstieg problemlos klappen würde.

Eine Massenveranstaltung mit Showeinlage
Schon beim Befüllen des Ballons mit Wasserstoff waren alle Plätze ausverkauft. Nach Augenzeugenberichten sollen etwa 50.000 bis 60.000 Besucher vor Ort gewesen sein, weitere Zuschauer hatten sich auf den Türmen und Basteien der Stadtmauer versammelt. Gegen 11:30 Uhr stieg Blanchard zusammen mit seiner Frau und seinem Hund in den Korb unterhalb des Ballons.

Der Aufstieg gelang ohne Probleme. Der Wind trieb den Ballon zuerst Richtung Nürnberger Innenstadt und drehte dann nach Norden, was den Ballon weiter Richtung Thon führte. In einer Höhe von etwa 1.100 - 1.300 m über dem Boden – so schrieb die Nürnberger Postzeitung – warf Blanchard seinen Hund aus dem Korb. Ein selbst erfundener Fallschirm öffnete sich und der Hund landete nach 5 Minuten unverletzt auf einem Feld in der Nähe der Erlanger Straße in Thon. Der Ballon trieb weiter in nördliche Richtung und setzte schließlich nach 8 km um 12:15 Uhr in der Nähe von Boxdorf auf. 

Als das Luftgefährt auf seiner Reise aus dem Sichtfeld der Zuschauer im Stadtpark verschwand, begannen sie in Massen hinterher zu rennen. Querfeldein über Hecken und Gemüsefelder rannten tausende Schaulustige bis nach Thon und schließlich bis Boxdorf. Dort empfingen sie Blanchard wie einen Helden und begleiteten ihn zurück nach Nürnberg. Zu seinen Ehren wurden im Opernhaus zwei Lustspiele und ein Ballet aufgeführt. In seinem Hotel fand ein Maskenball statt, der erst am Morgen des 13. November endete.

Kupferstich von Abraham Wolfgang Küfner vom Start des Ballons
Ungefähre Reiseroute des Ballons anhand der Zeugenaussagen. (Kartengrundlage: Bayerische Landesbibliothek)
Blanchard hatte danach noch zahlreiche weitere Ballonfahrten unternommen, wie z.B. 1793 in den noch jungen USA im Beisein von George Washington. Am 7. März 1809 stirbt er während einer Ballonfahrt an einem Schlaganfall. Heute sind nach ihm ein Krater auf dem Mond, sowie ein Gletscher in der Antarktis benannt. Er war nicht nur der erste Ballonfahrer in der neuen Welt, sondern auch der erste Mensch, der Nürnberg aus der Vogelperspektive gesehen hat.

Literatur:

H.Hecht, Der erste Ballonaufstieg in Nürnberg mit einigem Drum und Dran, in:
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 39. 1944, S. 237-248.

Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Bd. 4, S.281-310, Leipzig 1888.

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