Achtung! Diebesbanden in Franken unterwegs

»Kriminelle Banden begehen organisierten Diebstahl auf Marktplätzen« Diese Schlagzeile könnte aus der Zeitung von heute stammen. Doch das Phänomen ist schon seit der frühen Neuzeit überliefert, bei denen sich Kriminelle in Gruppen organisieren und sich unter anderem auf Marktplätzen bereichern. Hier zwei unterschiedliche, aber gut überlieferte Fälle aus Franken.
"Die Acten über kleine Diebstähle sind in die Papiermühle verkauft.", so notierte ein Beamter des Coburger Staatsarchivs um die Mitte des 19. Jahrhunderts den Verlust einer wichtigen Quellengattung für die Erforschung des Lebensalltags im Franken der frühen Neuzeit. Glücklicherweise haben sich aber an anderen Orten noch Verhörprotokolle, Aussagen und Urteile zur Kriminalität in Franken seit dem 16. Jahrhundert erhalten. Aus den Bamberger Protokollen, sowie den Unterlagen der Stadt Kronach, Staffelstein und Weismain lassen sich die Schicksale und Missetaten einiger – teilweise sehr erfolgreicher – Diebe und Diebesbanden rekonstruieren.
Die als "Vaganten" bezeichneten Gruppen setzten sich aus vielen unterschiedlichen Milieus zusammen – von umherziehenden Landsknechten auf der Suche nach Anstellung, über Bettler, Musikanten und andere "unehrliche" Leute. Auch Studenten auf Wanderschaft oder Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter waren Bestandteil der Gruppen.

Die kriminelle Ader der Familie Pultz
Ein Beispiel hierfür ist die Familie Pultz aus Marktzeuln. Georg Pultz wuchs als Findelkind in Marktzeuln auf, heiratete 1562 seine Frau Gertraud und schlug sich mit ihr und seinen sechs Kindern zunächst als Büttel für die Gemeinde Marktzeuln durch. Doch schon nach einem Jahr wurde er wegen "Leibsschwachheit" entlassen – offenbar lag hier eine Mangelernährung von früher Kindheit an vor. Nach der Entlassung zog die Familie obdachlos als Tagelöhner durch das Bamberger Land. Nach einer kleinen Erbschaft – und einem Diebstahl von 8 Gulden – konnten sie ein kleines Haus in Birkig bei Neustadt (bei Coburg) erwerben. 1595 wurde Georg Pultz dabei ertappt, wie er mit seiner Frau drei kleine Brote in Neustadt stahl. Zur Strafe mussten sie 16 Gulden zahlen, was sie dazu zwang, ihr Haus zu verkaufen und das Land zu verlassen. Daraufhin ließen sie sich in Gaustadt bei Bamberg nieder und der Familienvater erhielt den Posten als Gemeindehirte. Hirten waren – nicht nur in Gaustadt – sehr erbärmlich untergebracht und zudem schlecht bezahlt. Schon nach zwei Jahren verlor er den Posten wieder. Der Grund: In seinem Hirtenhaus hatte er Diebe, Einbrecher und anderes "loß gesindt" beherbergt und von ihnen Diebesgut erworben und weiterverkauft. Er wurde also sogar zum Hehler.

Nachdem diese Einkommensquelle weg war, zogen Gertraud und Georg Pultz zusammen mit einem Sohn wieder obdachlos durchs Land. Die anderen Kinder waren inzwischen groß genug, um sich alleine durchs Leben schlagen zu können. Die dreiköpfige Familie beging reihenweise Diebstähle. Es waren vor allem Lebensmittel, aber auch Kleidungsstücke und Schuhe. Insgesamt also keine Beute die reich machen würde. Ob sie auch weiter als Hehler arbeiteten oder selbst Zulieferer wurden, ist nicht bekannt. Am 1. November 1600 wurde Gertraud Pultz aufgegriffen, als sie in einem Dorf bei Staffelstein einen Laib Brot stehlen wollte. Sie wurde verhaftet und in Staffelstein inhaftiert. Zehn Tage später wurde auch ihr Mann festgenommen. Als sich Gertraud an einem aus ihrer Kleidung geflochtenen Seil aus dem Gefängnisfenster abseilen und fliehen wollte stürzte sie in den Tod. Ihr Mann Georg wurde im April 1601 aufgrund seiner zahlreichen Straftaten zum Tode verurteilt. Auf Bitten des Fürstbischofs wurde diese Strafe jedoch zu Rutenschlägen abgemildert. Anschließend wurde er außer Landes geschafft, wo sich seine Spur verliert. Auch die Tochter Margaretha schlug eine Karriere als Diebin ein – wohl ebenfalls aus der Not heraus – und wurde im Juni 1601 hingerichtet.

Der Geißfritz schlägt zu!
Familie Pultz wurde zu Dieben, um zu überleben. Im Gegensatz dazu arbeitete die Bande von Fritz Polach – genannt der Geißfritz – hingegen professionell und höchst erfolgreich.

Fritz wurde 1566 in Godeldorf bei Baunach (Landkreis Bamberg) geboren. Sein Vater war Kuhhirte und besaß zudem eine Herde Ziegen, weshalb er den Spitznamen Geißfritz erhielt. Sohn Fritz kaufte in den 1580er Jahren zusammen mit seiner Frau und einem Schwager ein Haus in Fatschenbrunn bei Zeil am Main. Das Haus kostete 40 Gulden, was damals eine ungeheure Summe für jemanden war, der behauptete Tagelöhner zu sein und nebenher als Hausierer mit Garn und Stoffen handelte.

Heute weiß man, dass er spätestens seit 1598 zusammen mit der Krämerin von Sand am Main, ihrem Mann und ihrer Schwester, sowie seinem Schwager und einem weiteren Ehepaar eine Diebesbande organisierte. Sie hatten auf den Märkten von Haßfurt, Schweinfurt, Geroltzhofen und Staffelstein reiche Beute gemacht. Allein der Anteil von Fritz Polach belief sich pro Jahr auf mindestens 30 Gulden. Im Vergleich dazu verdiente ein Kuhhirte im Jahr nur 7 Gulden (überliefert aus 1621).

Geißfritz wurde 1603 in Bamberg erstmals verhaftet, weil er betrunken versucht hatte, einem Tuchhändler Ware zu stehlen. Er wurde jedoch wieder freigelassen, weil man ihm nichts weiter nachweisen konnte und auch sein Grundherr sich für ihn einsetzte.

Im Frühjahr 1606 wurden Polach und seine Verwandten erneut des Diebstahls verdächtigt, weshalb der Vogt von Eltmann nach Fatschenbrunn kam, um sie festzunehmen. Doch Polach und sein Schwager konnten entkommen. Allerdings gelang es dem Vogt zwei volle Wagenladungen an Diebesgut und Hehlerware zu beschlagnahmen, weshalb Polachs Schwester und Nichte festgenommen und des Landes verwiesen wurden.

Die Gegend wurde Polach offenbar zu heiß und er verkaufte sein Haus in Fatschenbrunn für 20 Gulden, um sich dann in Steppach bei Pommersfelden ein neues Anwesen für 600 Gulden zu leisten. Offenbar hatte die Beschlagnahmung von zwei Wagenladungen keinen besonders großen Einfluss auf seine finanzielle Lage.

Einen großen letzten Fehler machte Fritz Polach 1606, als er sich wieder in sein angestammtes Revier wagte. Auf dem Markt in Staffelstein wurde er prompt von einer polizeibekannten Diebin in den Arm gestochen, die ihn beim darauf erfolgten Verhör nur "einen Dieb über alle Diebe!" nannte.

Nach seiner Festnahme gestand er einige der oben genannten Straftaten. Er konnte wohl nicht überzeugen, wie ein Tagelöhner ein solch stattliches Anwesen besitzen konnte. Nach weiteren Verhören, diesmal unter Folter, gestand er seine restlichen Taten und wurde Ende Oktober/Anfang November 1606 in Staffelstein gehenkt.

„Peinliche Befragung“ (Folter) aus der Bambergischen Halsgerichtsordnung

Literaturverzeichnis:
https://www.blf-online.de/historische-werte-datei-preise-loehne-ertraege, Toni Drexler
G. Dieppold, Diebe im frühneuzeitlichen Franken, in: Franconia – Beihefte zum Jahrbuch für fränkische Landeskunde, Beiheft 9: historische Kriminalitätsforschung in landesgeschichtlicher Perspektive – Fallstudien aus Bayern und seinen Nachbarländern 1500-1800. S.189-204.
S. Koblbauer, Unterschichtenkriminalität verbrecherischer Randgruppen und deren Verfolgung – Zur Effizienz der frühneuzeitlichen Sicherheitspolitik im fränkischen Reichskreis, der Reichsritterschaft Sugenheim, sowie der Reichsstadt Nürnberg, München 2015.

Abbildungsverzeichnis:
„Peinliche Befragung" (Folter) aus der Bambergischen Halsgerichtsordnung; Andreas Deutsch, Bambergische Halsgerichtsordnung, publiziert am 28.09.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bambergische_Halsgerichtsordnung> (24.10.2022)