Die Schlacht am Hussitenbierl – ein vergessener Wendepunkt der bayerischen Geschichte im Mittelalter

Die Berichterstattung und Dokumentation von kriegerischen Auseinandersetzungen war schon immer von besonderer Bedeutung, da sie oft Schlüsselereignisse im Verlauf der Geschichte darstellen. Meist sind militärische Operationen aus der Neuzeit detailliert überliefert bzw. archiviert. Doch die Schlacht am Hussitenbierl in der Oberpfalz des Spätmittelalters ist nicht nur gut überliefert, sondern stellt auch einen bedeutenden historischen Wendepunkt dar, der heute fast vergessen ist.

Die Aggression der Hussiten
September 1433. Die hussitischen Truppen unter Prokop dem Großen belagern die katholische Hochburg Pilsen. Dafür hat Prokop ein großes Heer zusammengezogen. Allerdings plagen ihn Versorgungsprobleme, denn für eine so große Armee wird stets Nachschub an Nahrung und Material benötigt, was in Böhmen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Um diesen Mangel zu beheben entsendet er einen größeren Teil seiner Truppen über die bayrisch-böhmische Grenze um das Feindesland zu plündern. Eine Taktik die sich in den letzten Jahren sehr bewehrt hat, denn einerseits kann er so seine eigenen Kräfte versorgen und gleichzeitig dem Feind schaden.
Hauptmann Jan Pardus von Hrádek und Hauptmann Jan Rítka von Bezdedic werden mit 500 Berittenen und 1.400 Mann Infanterie über die Grenze geschickt. Anfang September 1433 erreichen sie Cham und plündern die Stadt trotz heftiger Gegenwehr. Anschließend wenden sie sich der Burg Obermurach zu, die sie einnehmen wollen, was jedoch scheitert. Auch die Eroberung der Stadt Nabburg gelingt ihnen nicht. Bei ihrem Plünderungszug schaffen sie es jedoch eine größere Anzahl an Rindern mit sich zu treiben, was von Neunburg aus beobachtet werden konnte. Vermutlich versuchen sie sich der Hauptarmee wieder anzuschließen und die reiche Beute an die Feldküche vor Pilsen zu liefern.

Oberpfälzische Gegenwehr
Auf der Schwarzenburg bei Rötz sammeln Pfalzgraf Johann und Heinrich Pflug von Schwarzenburg ein Heer aus der oberpfälzer Ritterschaft, dem Böcklerbund und Bauern des Umlands. Die Befehlshaber sind über die Bewegungen der Hussiten immer genau informiert und versuchen trotz Unterlegenheit den Feind zu stellen.

Feldzug 1433, Beutezug der Hussiten unter Hauptmann von Hrádek und Hauptmann von Bezdedic im September 1433
Ausschnitt aus dem Kupferstich "Die große Schlacht" 1433. Hervorgehoben: Heinrich Pflug von Schwarzenburg in der zentralen Abteilung der Reiter
Die Schlacht
Auf einem Hügel nordöstlich von Hiltersried, der nachträglich Hussitenbierl genannt wird, nehmen die Hussiten am 21. September 1433 ihre Stellung in Form der bekannten Wagenburg ein. (Ein schwarzes Band verbindet! Die archäologische Hinterlassenschaft der Hussiten) Details der Schlacht werden mit dem Lied "Vom Hussenkrieg" des Schlachtteilnehmers Ott Ostmann überliefert, der wenig später an seinen Kriegsverletzungen verstarb. In der 14. Strophe beschreibt Ostmann, dass Heinrich Pflug die anderen Ritter davon überzeugen will, die hussitische Wagenburg anzugreifen "...Der senk seinen spiess und eisenhut, reit' als frischer helde!" Ritter Wilhelm Paulsdorffer von Kürn und seine Reiter attackieren schließlich die hussitischen Stellungen unter schwerem Beschuss und schaffen es in die Wagenburg einzudringen und die hussitische Feldfahne (Panier mit Gänsemotiv) zu erobern. Aufgrund der starken hussitischen Gegenwehr verlieren sie diese jedoch wieder. In einer zweiten Angriffswelle setzt Ritter Fritz von Wolfstein mit seinen Reitern hinterher und schafft es Paulsdorffers eingeschlossene und stark dezimierte Einheit zu befreien und mit der hussitischen Feldfahne aus der Wagenburg hinauszureiten. Die Bedeutung der Schlacht war für die Oberpfalz und die katholische Welt so groß, dass eine Darstellung davon als einer der frühesten Kupferstiche überhaupt angefertigt wurde.
Schlachtverlauf: 1) Erstürmen der Wagenburg, 2) Verluste der Paulsdorffer Ritter, 3) Eroberung der hussitischen Feldfahne, 4) Zerschlagung der Hussiten nach Öffnung der Wagenburg durch Bauern und Ritter

Weitere Hinweise auf den Schlachtverlauf liefern die schriftlichen Aufzeichnungen von Andreas von Regensburg, die auch viel über die militärischen Strukturen verraten. So wurde die Kavallerie in fünf Einheiten aufgeteilt:

  • eine zentrale Reitereinheit mit dem von Wilhelm Paulsdorffer getragenen Banner
  • davor Hans Zenger von Schneeberg auf Treffelstein mit seinen Männern
    (er war zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Jahre alt und wurde in der Schlacht tödlich verwundet)
  • links vom Banner Georg von Mistelbeck
  • rechts davon Fritz von Wolfstein
  • dahinter Hans Vingerl jeweils mit ihren Rittern

Wo die Infanterie aufgestellt wurde lässt sich aus dem Text nicht herauslesen. Der Anführer der Schützen war Georg Heyraus, dessen Vater als Reiter in der rückwärtigen Kavallerieeinheit mitkämpfte.

Von historischer Bedeutung
Durch das Sprengen der Wagenburg konnte die Übermacht der Hussiten besiegt werden. Nur wenige von ihnen haben das Schlachtfeld lebend verlassen. Mit dieser Niederlage wendete sich das Kriegsglück der Hussiten endgültig. Zwar kam es in den folgenden Monaten noch zu weiteren Kämpfen und die letzte Schlacht der Hussitenkriege sollte erst acht Monate später am 30. Mai 1434 bei Prag stattfinden, doch mit der Schlacht am Hussitenbierl bei Hiltersried haben die hussitischen Verbände ihr Bedrohungspotential außerhalb Böhmens verloren.

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